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Hermann Nitsch - Unter den Bergen: Hoch hinaus

Selbst wenn man Hermann Nitsch – heute mit beinahe 80 Jahren – gelegentlich noch klagen hört, mit welchen Schwierigkeiten doch die Durchsetzung seines Werkes verbundenen sei, fast so als mangle es dem Aktionskünstler mit eigenem, nur ihm gewidmeten Museum an Präsenz, so lässt sich doch beruhigend konstatieren, dass es dem Meister längst gelungen ist, seinen Radius global auszudehnen. Immerhin konnte er im Juni das 150. Orgien Mysterien Theater in Hobart, im australischen Tasmanien, realisieren. Nicht zuletzt verschafften ihm dort die obligaten Tierschützer Proteste das übliche Plus an Publicity.

Auch in die Höhe geht es neuerdings. Stichwort Kunsthalle »arlberg1800«. Dort eröffnete Nitsch die Schau »Unter den Bergen«. Als USP wird der Location das Prädikat des höchst gelegenen Kulturveranstaltungsorts im alpinen Raum zugeschrieben. Weil es ein Projekt für die Allgemeinheit ist, erleichterte dessen Errichtung in St. Christoph seinerzeit die Genehmigung des gleichzeitigen Baus von zwei Häusern mit Luxusapartments durch Florian Werner, dem Betreiber des berühmten First Class Ressorts Hospiz am Arlberg. Die baulich integrierte Kunst- und Konzerthalle wegen solcher wirtschaftsdiplomatischer Operationen allerdings bloß als ein Vorhaben der Umwegrentabilität zu interpretieren, ginge in die falsche Richtung.

Die Affinität von Hotelier Florian Werner zur bildenden Kunst besteht tatsächlich. Werner, der in einem seiner Vorleben, 2011, sogar einen Meisterkurs – oder genauer: ein paar Seminarstunden im Rahmen einer Sommerakademie – bei Hermann Nitsch besucht hat, betreibt ein großzügiges Residency Programm für jüngere KünstlerInnen und sammelt auch selbst, was die qualitativ äußerst durchwachsene Ausstellung in den Gängen des Hotels farbenfroh dokumentiert. Auf diesem Weg kam es zur Kooperation mit den Kurator_innen der Art Consulting Agentur section.a, die maßgeblich am Arlberg Kunstprogramm mitwirkt.

Nun also wieder bei der aktuellen Ausstellung angekommen, lässt sich sagen, dass sie einigermaßen funktioniert. Das liegt vor allem an den zahlreichen zeichnerischen Arbeiten des Hermann Nitsch, die zwischen den 1970er und 1990er Jahren entstanden und sich visionär auf »Die Architektur des Orgien Mysterien Theaters« beziehen; Lithografien, die teils auf Landkartenstoff kaschiert sind, um die großen Formate zu bewältigen. Wegen ihrer vielen Schichten und stellenweise Anlehnung an die Form von Höhlen, Katakomben oder Gedärmen überlagert von Farbschüttungen und Spritzern wirken diese in ihrem Detailreichtum fast immer interessant.

Hervorzuheben auch der aus zwölf Schüttbildern bestehende Zyklus »Levitikus«, der 2010 im Auftrag des israelischen Ateliers Har-El Jaffa entstand und sich auf Opferriten im Tempel von Jerusalem aus dem 3. Buch Mose bezieht, wie Nitsch Biografin Danielle Spera zur Eröffnung ausführte. Zudem bieten zahlreiche großflächige Schüttbilder die Möglichkeit zur Bespielung der bereichsweise bis zu acht Meter Höhe aufweisenden Kunsthalle bis unter die Decke. Einige Tragen mit Ornaten akzentuieren hier die Wände.

Trotzdem entsteht schnell der Anschein einer – lediglich – routinierten Präsentation. Es fehlt ihr der Zauber und das Feingliedrige, das Nitsch-Ausstellungen durchaus haben können, wie das Projekt »Existenzfest« im Theatermuseum 2015 in Wien eindrücklich zeigte. Manchmal sind es persönliche Skizzen des Künstlers, Sequenzen von Fotografien aus verschiedenen Perioden oder sehr frühe Aktionsrelikte, die herstellen könnten, was hier fehlt. So wäre auch mehr zur Vermittlung getan. Schließlich richtet sich das Kulturprogramm nicht nur an das lokale Publikum der alpinen Umgebung, sondern auch gezielt an die internationalen Gäste des Ressorts, was auch mit dem Interessengemenge der an dem Großprojekt beteiligten Galerie Thoman übereinstimmen dürfte. Eine Ecke mit Buch- oder Katalogverkauf – beispielswiese aus dem Nitsch Museum – könnte dem Ganzen ebenfalls gut tun.

Andernfalls bleibt der Eindruck, dass die Ausstellungen in der Kunsthalle »arlberg1800« mehr der wohl-dekorierten Inspiration im Vorraum zu deren Konzertsaal dienen. Gewollt ist sicher mehr, auch wenn sich die programmatische Linie des engagiert eröffneten Ausstellungszentrums »arlberg1800« noch nicht ausmachen lässt. Sollten es nach der Gruppenausstellung tendenziell junger Positionen zur Eröffnung nun die Big Names wie Herbert Brandl oder eben Nitsch sein, dann muss der Fokus in Hinkunft jedenfalls auf pointiert außergewöhnlichen Präsentationen liegen.

Mehr Texte von Roland Schöny

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Hermann Nitsch - Unter den Bergen
09.07.2017 - 08.04.2018

arlberg1800
6580 St. Christoph, St. Christoph 1
Tel: +43 5446 2611, Fax: +43 5446 3773
Email: info@arlberg1800resort.at
http://www.arlberg1800resort.at/
Öffnungszeiten: Fr - Mo, 10-12, 14-16 h





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