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Thomas Feuerstein - The World: Im Resonanzfeld zwischen Poesie und Alchimie

Wie faszinierend sie doch sind: diese neuen Momentaufnahmen aus einem Œuvre, dessen Tentakel sich immer weiter vorantasten vom Faktischen ins Utopische, vom organisch Energetischen hin zum Maschinellen. Am Horizont oft Erfindungen neuer Formeln stofflich materialisiert, doch stets bleibt die Perspektive der Ungewissheit und vor allem des unentwegten sich Vorantastens. Je mehr er bearbeitet und erforscht, umso weiter dringt Thomas Feuerstein vor zu Weltentwürfen, die unsere Existenz in schwindelerregender Vieldeutigkeit ausleuchten. Auf fantastische Weise setzt Feuerstein perzeptive Kraftströme durch Bedeutungsspielräume frei, die er gelegentlich durch begriffliche Verschiebungen und Erweiterungen herstellt, häufig auch durch reale Experimente und Arbeit an der Materie direkt. Es ist eine mathematisch poetische und zugleich analytische Vorgangsweise, deren Ursprünge auf dem Terrain der Medienkunst angesiedelt sind. Zugleich materialisiert sich die Zeichnung mit ebenso starker Rolle in diesem Universum unendlicher semantischer Fadenknüpfungen. Gerade diese wunderbare Ausstellung zeigt, dass für Thomas Feuerstein die Auseinandersetzung mit Weltformeln im Akt des Schreibens abstrakter Algorithmen und die Zeichnung als Bild erzeugendes Medium von Anfang nebeneinander existierten. Man erinnere sich: Bereits in den 1990er Jahren reflektierte Feuerstein die Veränderung der Wahrnehmung durch die neuen Potentiale des Internet. Damals stellte er auch verschiedene über Maßangaben definierte Bildformate und Datensätze im Medium der gezeichneten Malerei dar. Zahlenwerke wurden zu Bildern und vice versa. Weiterhin agiert der unentwegt produzierende Künstler nun im Resonanzfeld zwischen beiden Enden der Parabel. Dennoch überraschen seine suggestiv wirkenden, hyperrealistischen Kohlezeichnungen in dieser Ausstellung. Ausgerechnet er, der in Laborsituationen mit der Herstellung künstlicher Mikroorganismen und Pilzen experimentiert oder eine Serie aus Algendrinks erzeugt hat, bringt nun Kohlezeichnungen im Breitwandformat. Hat es den Demiurgen der fantastischen Wissenschaft nun in den Weiten der alten, archaischen Medien zurück katapultiert? Doch Halt! Er hat die Kohle selbst hergestellt. Sogar sie ist ein Ergebnis der Alchemie im Studio Feuerstein. Zugleich ist sie Materie gewordene Metapher für Rohstoff-Vernichtung und ökonomische Verteilungskämpfe. In jenem Bild, das auch den Ausstellungstitel »THE WORLD« trägt, beschleunigt ein Luxus-Passagierschiff über dem Ozean schwebend in Richtung eines geisterhaften nirgendwo. Auch die Darstellung von »GOVENOR« will und will ihren gespenstischen Charakter nicht abschütteln. Es ist eine düstere Aufnahme des Österreichischen Parlaments, aus dessen Mitte eine Art Überdruckventil oder zumindest ein Maschinenteil aus Fritz Langs Metropolis herausragt. Science Fiction und Fragen nach dem Status des Demokratischen wachsen da in Form eines geheimnisvollen Superzeichens zusammen. Wie perfekt die Inszenierungen des Thomas Feuerstein aufgebaut sind und wie gerne sie kulturhistorisch und wissenschaftlich nahezu überbordend aufgeladene Bedeutungsträger aufgreifen, zeigt sich an Hand einer weißen Gehirnskulptur, die als Kontrast zu den düsteren Zeichnungen auf schwarzem Sockel in Fensternähe erstrahlt. Auch hier arbeitet der Künstler mit semantischen Verschiebungen, indem das Werk mit dem Titel »LSD« versieht, der in diesem Fall natürlich nicht für Lysergsäurediethylamid steht, sondern für »LONG SWEET DIARY« steht. Wie tauchen also ein in den persönlichen Kosmos eines Künstlers, der den fragilen Status der Welt in visuell linguistisch aufgebauten Schleifen aus der Perspektive des posthumanen Zeitalters kritisch reflektiert. Dass dies alles dann aber doch nicht so bierernst zu nehmen ist, wie es scheinen könnte, sondern auch assoziatives Spiel mit der Form, das legt Thomas Feuerstein mit einem Schmunzeln in einer Serie von Lithografien offen, in denen er Maschinenträume mit organischen Segmenten kombiniert. Manche wirken wie Gothic-Schallplattencover, andere könnten die Titelseite eines Romans von H. P. Lovecraft abgeben. Dass der Künstler – wie hier – gelegentlich auch den lässigen Dandy raushängen lässt, das erst macht diese Ausstellung so ehrlich. Als einer der spannendsten Protagonisten im Schnittfeld von Kunst und Wissenschaft stellt Thomas Feuerstein derzeit außerdem noch im Chronos Art Center Shanghai aus.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Thomas Feuerstein - The World
16.01 - 30.04.2016

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
1010 Wien, Seilerstätte 7
Tel: + 43 1 512 08 40
Email: galerie@galeriethoman.com
http://www.galeriethoman.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-18, Sa 11-15 h


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