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Jean-Christophe Ammann 1939 – 2015

Jean-Christophe Ammann war der Gründungsdirektor des neu errichteten Museums Moderner Kunst in Frankfurt, mit dessen Konzept es 1991 eröffnet wurde. Schon zwei Jahre zuvor hatte er in dem Gebäude als streitbarer und konsequenter Visionär, in einem flächenmäßig relativ überschaubaren Büro begonnen, allerdings ohne Schreibtisch und stattdessen vor einer großflächigen aufgebockten rohen Holzplatte mit einigen Heften drauf, Notizzetteln und Büchern, Büchern vor allem auf dem Boden. Es sei hier alles zu eng, erklärte er damals, wie in einer Puppenstube. Man hätte mit ihm sehr freundlich und entgegenkommend über diese üblichen Büroschreibtische diskutiert, die repräsentieren und eben den Eindruck von Direktion vermitteln. Doch Ammann hatte erst plausibel machen müssen, dass er in erster Linie Arbeitsflächen benötige, um große Bücher aufzulegen. Solche kleinen, oft langwierigen, letztlich aber bedeutsamen Gefechte führte er auch im Museum. Während Architekt Hans Hollein in dem als Torteneck bezeichneten Bau auf einigermaßen nobel aussehenden Böden aus italienischem Marmor bestanden hatte, war es Amann um das Praktische im Sinne der Kunst gegangen. Er hatte nach Holzböden verlangt, um mit Kunst zu arbeiten, um Installationen zu ermöglichen. Nach dem Einschreiten des damaligen Frankfurter Baudezernenten beschränkt sich der Marmor jetzt vor allem auf den repräsentativen Eingangsbereich. Und was konnte man von Jean-Christophe Ammann, der 1989 von der Kunsthalle Basel nach Frankfurt gewechselt war, als Ausstellungskurator lernen? Etwas sehr Einfaches: eine Szenographie oder eine Dramaturgie aus mehreren Werken ein und derselben Künstlerposition zu erschaffen, um ein entwickeltes Vokabular als solches auch verständlich und lesbar zu machen. Ein einfacher Akt der Vermittlung, mit dem er die Werke tatsächlich zum Sprechen gebracht hat. Denn normalerweise besuche man eine Führung und stehe wie gebannt vor einem einzigen Bild, vor dem ausführlich erklärt wird, was man hier nicht sieht. Das war 1990. Nach der Eröffnung des MMK 1991 in der boomenden Kunststadt Frankfurt, war es schnell einer der kulturellen Hot Spots, besonders am Sonntag. Da gab es freien Eintritt, und das Museum war ein hoch frequentierter Szenetreffpunkt für Flanierende weit unter dreißig. Doch das Anfangs euphorisch verfolgte Kulturstadt-Projekt Frankfurt geriet dann sehr bald in finanzielle Nöte; die rot-grüne Koalition strich das Budget für die Kunst zusammen - vor allem für die Sammlungen. Jean-Christophe Ammanns Antwort darauf waren die beliebten Szenenwechsel-Ausstellungen, in denen zweimal jährlich relevante Ankäufe, aus Geldern des Freunde-Vereins und durch privaten Sponsoren finanziert, präsentiert wurden. Ebenfalls ein vorbildliches Konzept. Deshalb beschreibt man diese Ideen aus der Gründungsphase des MMK Frankfurt heute gerne als Blaupause für spätere Museumsgründungen. Allerdings trat Jean-Christophe Ammann nie mit dem Pathos eines Museumsstrategen auf, auch wenn er in enger Seilschaft mit Kaspar König agierte. Nach seiner für den mitteleuropäischen Kunstbetrieb wichtigen Zeit in Frankfurt übernahm er kein großes Haus mehr, sondern baute für die Deutsche Börse eine Fotosammlung auf und kuratierte mehrere Ausstellungen. Anstelle wuchtiger Auftritte, setzte Ammann stets mit Bedacht kleine logische Schritte im Sinne der Weiterentwicklung und Vermittlung. Vor allem seinen zahlreichen Texten merkt man an, wie bedacht und mit welcher Genauigkeit er versuchte, Neues zu entdecken und durchzuarbeiten. Dass dies von großer Neugierde und Leidenschaft getragen war, manifestierte sich in Ammanns Sprechen über zeitgenössische Kunst, nicht nur wenn er über die erotischen Fotografien eines Jock Sturges sprach, auch über den RAF-Zyklus von Gerhard Richter, über Hans Peter Feldmann oder Rosemarie Trockel. Viele seiner Texte sind großartige Miniaturen oder oft sehr ideenreiche Skizzen. Am 13. September 2015 ist der ehemalige Direktor des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main Jean-Christophe Ammann im Alter von 76 Jahren nach langer Krankheit in Frankfurt verstorben.
Mehr Texte von Roland Schöny

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