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Kunst und Kapital

Ein Gespenst geht um in der Kunstwelt, das Gespenst des Kapitalismus: „Das schnelle Vermögen und seine schnelle Umsetzung in Kunst, eine Kunst des Marktes, entwertet nicht nur die symbolischen Anlagemöglichkeiten des 'alten Geldes' substantiell, es zerstört auch die Aura, mit der sich früher das stillschweigende Einverständnis umgab, durch 'Kunst' die Verwandlung von profanem Geld in soziale Achtung als persönlichen Verdienst ausgeben zu können“. Früher, als sich Prestige und Preziose noch wohlfeil um die Industriellengattin rankten, als der Mammon sich noch auf Kanon reimte und es so etwas wie echte Exklusivität gab, früher, da war alles besser. Und der Ort, über den jetzt das Neureichentum brandet, um ihn aufzulösen wie das Gesicht am Meeresstrand von Miami Beach, ist die Art Basel. Vier Soziologen der Universität Sankt Gallen haben der mittlerweile bedeutendsten Kunstmesse eine Studie gewidmet und sie soeben im Verlag der Buchhandlung Walther König publiziert. König steht für Köln, die Stadt, in der einst das Prinzip Kunstmarkt erfunden worden war, um bald von der Provinzstadt rheinaufwärts den Rang abgelaufen zu bekommen. König wird nichts dagegen haben, wenn Basel und seiner Art jetzt ein wenig am Zeug geflickt wird. Jedes der acht Kapitel der Studie mit dem ein wenig berechenbaren Titel „Kunst und Kapital“ wird eingeleitet von diversen Zitaten Pierre Bourdieus. Man weiß, woher der Wind weht, die Spielregeln der Kunst, die hier am Werke sind, handeln von Konkurrenz, von einer Gnadenlosigkeit der Kämpfe, die nur mühsam von der „Doppelmoral“ (S. 161, S. 168) des Wahren, Hehren, Schönen überdeckt wird (zu Bourdieus Position vgl. meinen Blog-Beitrag „Auch haben“) Das neue Geld bringt die alte Elite gehörig durcheinander. So gesehen gehen die Kämpfe schlechterdings weiter. Die vielerlei Gewährsleute, die die Studie befragt, Galeristen wie Judy Lybke, Sammler wie Harald Falckenberg, Kuratoren wie Hans-Ulrich Obrist und Global Player wie die Rubells stehen dabei natürlich stramm auf der Seite der traditionellen Distinktion. So kommen Formulierungen wie „die Leute aus Kasachstan, diese paar Idioten“ (S. 242) ins Buch, und auch die Autoren stehen nicht an, diese Überzeugung zu vermitteln: „Die Ware ist meist über jeden Zweifel erhaben, ihre Käufer sind es nicht“ (S. 19). Dass die Ware hochwertiger ist als ihre Preise, soll nun bestätigt werden. Etwa durch den Vergleich zweier Rankings, in der die Artfacts-Liste mit der Artprice-Liste parallelisiert wird: Nur deren fünf unter den Top 50 der Bedeutenden kommen unter den Top 500 der Teuren vor (S. 190 - es sind für 2014 Richter, Sherman, Ruscha, Hirst und Gursky). Oder durch den Verweis auf die Uhrenmesse am selben Schauplatz, auf der niemand ein Problem mit jenem puren Luxus zu haben scheint, dem man im Kunstkontext mit rituellen Gebärden von Peinlichkeit begegnet. Die Art Basel, so tritt es im seriösesten Jargon akademischer Kritik zutage, ist ihre Messe wert. Am Ende indes, ein wenig contre coeur, meldet sich dann doch der Zweifel am Gebotenen. Bourdieu und seine Schule haben sich stets einer Zuteilung von Qualitätskritierien enthalten, haben Rezeptionen studiert und Soziales herausdestilliert. Diesmal wird aber doch gefragt, ob nicht „die Postmoderne“ eine „Autoritätslücke“ hinterlassen habe (S. 200); ob nicht doch „Bedeutungsverluste“ (S. 216) zu spüren seien; und ob es nicht zu einer „Maßstablosigkeit“ gekommen sei, zu einem „Verblassen des Kanons“ (S. 224): Ob mit anderen Worten, nicht doch weniger die Rezipienten als die Produzenten ihren Anteil daran haben, dass „der Hype“ und die Spektakelträchtigkeit wichtiger sind als der Anspruch auf wenigstens symbolische Unveräußerlichkeit. Die Künstlerpersonen haben sich gut eingerichtet in ihren Meistererzählungen von der Privilegierung, und nach vielerlei Versuchen, die alten Rollen durch zeitgemäßere zu ersetzen, hocken sie wieder in ihren Nischen splendider Bohemienhaftigkeit. Durch das viele neue Geld können sie so tun, als bedeute gerade das Aktualität. Franz Schultheiss/Erwin Single/Stephan Egger/Thomas Mazzurana, Kunst und Kapital. Begegnungen auf der Art Basel, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2015
Mehr Texte von Rainer Metzger

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