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Im Münchner Lenbachhaus haben sie die Präsentation ihrer Sammlung zur Gegenwartskunst umgestellt. Mehr Münchnerisches wollen sie zeigen. Natürlich wird auch schon gestritten, ob ihnen das gelungen ist, gelungen allemal ist der Titel: „So ein Ding muss ich auch haben“ lautet er, nach einem Film, den einige Künstler im Umfeld der Situationistischen Internationale im Jahr 1961 gedreht haben. Asger Jorn gibt eine Art Mentor, der Regisseur ist Albert Mertz, Jørgen Nash, seinerseits Maler und Dichter, hat mitgemacht, es sind allesamt Dänen, doch der Film trägt einen deutschen Namen, denn die Münchner Gruppe SPUR, die sich deutlich auf CoBrA bezog, gehörte auch zum Team. So ein Ding muss ich auch haben. Was wäre integrativer für den einschlägigen Bereich als die menschheitlichen Antriebe von Neid, Rivalität, Konkurrenz, vom kleinen Scharmützel um die großen Dinge der Sinngebung. Pierre Bourdieu hat dem Prinzip sein 1992 herausgebrachtes, epochales Buch „Die Regeln der Kunst“ gewidmet: „Die internen Kämpfe... nehmen unausweichlich die Form von Definitionskämpfen im eigentlichen Sinne des Wortes an. Jeder versucht, die Grenzen des Feldes so abzustecken, daß ihr Verlauf den eigenen Interessen entgegenkommt, oder, was auf dasselbe hinausläuft, seine Definiton der wahren Zugehörigkeit zum Feld (oder die Zulassungsvoraussetzungen für den Status eines Schriftstellers, Künstlers oder Gelehrten) durchzusetzen - die Definition also, die am geeignetesten ist, ihm selbst das Recht zu verleihen, so zu sein, wie er ist“ (zitiert nach der deutschen Ausgabe, Frankfurt: stw 2001, S. 353). Hans-Peter Feldmann, Laden 1975-2015, Detail. Foto: Lenbachhaus, © Bildrecht, Wien 2015 Das „Feld“, das Bourdieu untersucht, ist primär das literarische, doch seine Signaturen, die Autonomie, die Ausdifferenzierung nach innen und die Abgrenzung nach außen, Signaturen, die erst in der komplexen Darstellung des Buches Deutlichkeit gewinnen, gelten genauso für die parallelen Sphären des gesamten Kulturbetriebs. Es gibt ein Factum Brutum, eine nichts anderes als buchstäblich brutale Tatsache auf diesem Gebiet, und Bourdieu wird nicht müde, es zu wiederholen: „Daß die Geschichte des Feldes die Geschichte des Kampfes um das Monopol auf Durchsetzung legitimer Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien ist: diese Aussage ist noch unzureichend; es ist vielmehr der Kampf selbst, der die Geschichte des Feldes ausmacht; durch den Kampf erst tritt es in Geschichte ein“ (S. 253). Im Jahr nach Fertigstellung von „So ein Ding muss ich auch haben“ wird Jørgen Nash für den Ausschluss der Gruppe SPUR aus der SI, der Situationistischen Internationale, votieren. Er tut dies mit schlechtem Gewissen, zieht sein Plädoyer zurück, doch der Mechanismus arbeitet ohnedies unaufhaltsam. Im Gefolge der Streitereien wird er selber exkommuniziert. Damit nicht genug des Hand Anlegens. Im April 1964 ist Nash einer von denen, die der kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen den Kopf abschlagen. Natürlich ist es ein Protest, er versteht sich aktionistisch, als Beitrag zur Gesellschaft des Spektakels. Bourdieu, S. 368: „Das generierende und vereinheitlichende Prinzip dieses 'Systems' ist der Kampf selbst“. www.lenbachhaus.de
Mehr Texte von Rainer Metzger

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