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55. Biennale von Venedig - Österreichischer Pavillon: Mathias Poledna: Im Fahrwasser von Hollywoods Entertainment-Industrie

Dass Mathias Poledna in Venedig seine kritische Bearbeitung spezifischer Momente der Moderne fortsetzen würde, davon war schon lange auszugehen. Schließlich zählen Musik, Film und Design genau in diesem Kontext zu seinen zentralen Themen. Trotzdem überraschend wie leer belassen – oder zumindest fast unbespielt – die beiden Seitentrakte des Österreichischen Pavillons in den Giardini wirken; mit überraschend kleinformatigen, sehr unspektakulär wirkenden, blassen Zeichnungen, deren inhaltliche Bedeutung sich ob ihrer Schemenhaftigkeit gar nicht so ohne weiteres freilegen lässt. Immerhin, nach all der Geheimhaltungspolitik im Vorfeld wären beispielsweise auch irgendwelche direkten Bezüge auf die Architektur des Gebäudes von Josef Hoffmann möglich gewesen. Aber man gelangt dann im hinteren Bereich in eine Art Kinoraum: Achtung Stolpergefahr! Nicht einmal eine Notbeleuchtung wurde hier angebracht. Selbst auf Sitzgelegenheiten, sogar auf die sonst üblichen Kunstraum-Bänke wurde verzichtet. Mit einem geradezu klassisch anmutenden Zeichentrickfilm im nüchtern belassenen Vorführraum möchte Poledna die Suggestionskraft genau jener Filmwelt evozieren und letztlich analysieren, die Hollywood als Vergnügen für die ganze Familie hervorgebracht hat; selbstverständlich, ohne sich dem Bann des Entertainments distanzlos hinzugeben. Die Kraft des Lichtes, das Spiel der Farben, die Dynamik des Wassers und der Natur begleitet von dem dazu kongruent spielenden Orchester in dem auf 35mm produzierten Streifens, all das führt im nu in jene verführerische Atmosphäre, die der amerikanische Trickfilm in seiner Hochperiode in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren für ein Massenpublikum aufgebaut hat. Bei dem Szenario auf der Projektionswand in Venedig jedoch handelt es sich um einen mit enormem Aufwand hergestellten Film von Mathias Poledna selbst. Das Werk von nur 3 Minuten Länge könnte an einen Ausschnitt aus dem ''Dschungelbuch'' aus den Disney-Studios erinnern, bloß noch genauer, feiner im Detail ausgearbeitet. Denn zu jener Zeit, auf die angespielt wird, kamen Meisterwerke des Trickfilms wie beispielsweise ''Fantasia'' (1940) in die Lichtspieltheater. Man könnte Polednas Unterfangen als Reanimation historischer Narrative an der Nahtstelle zwischen kritischem Zugriff und Verführung durch Faszination bezeichnen. Dabei drängt sich die Frage auf, ob der Künstler nicht in einen Bereich vorgedrungen ist, wo seine eigene zum Perfektionismus neigende Methode, mit der er Paradigmen der Kulturindustrie aufdecken möchte, ähnliche Spielregeln annimmt, wie das friendly monster Hollywood selbst. Unwillkürlich verschwimmen nämlich die Grenzen zwischen der kritischen Praxis von Mathias Poledna und dem fast ungebrochen wiedererweckten historischen Zeichentrickfilm, auf den er sich bezieht. Gelandet sind wir also in der Konstruktion einer jener farbenprächtigen Ladungen Opium für die Massen, die als ''Entertainment'' daher kommend für ein paar Momente von all den Widrigkeiten nach der Weltwirtschaftskrise, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Vertreibung und Deportation durch den Nationalsozialismus in Europa ablenken wollte. Die von Musik begleitete zeichnerische Animation vereint alle möglichen Elemente aus Varieté, Musical und Stummfilmkomödien. Der warme Sound erinnert an die Erzeugung eines Wattebauschs zwischen der sozialen Realität draußen und dem Kino als Fluchtpunkt und Ort des Entertainments. Mehr als 30 MusikerInnen allein in der Streichersektion des Film-Orchesters bringen die Bildwelten zu swingen. Man ist daher an Hanns Eislers Kampf ''Gegen die Dummheit in der Musik'' erinnert, als der Tier-Protagonist im Mittelpunkt, ein netter, freundlich anmutender Esel, von etwas nicht ganz Durchschaubarem hingerissen den Musical Song ''I´ve Got a Feelin´ You’re Foolin´'' von Arthur Feed und Nacio Herb Brown anstimmt. Ein Gefühl ähnlich wie beim Hören eines nicht allzu schlechten, aber doch ziemlich schmalzigen Schlagers, der einen unwillkürlich gefangenen nimmt, stellt sich ein. Man gestattet sich, im Takt mit zu wippen, obwohl einem bewusst ist, dass die Maschine in die komplett falsche Richtung läuft. Dass Poledna besonders nach seiner Ausstellung in der Wiener Secession mit dem Film ''A Village by the Sea'' (2011) der Elemente des Hollywood-Films zur Zeit der Wirtschaftskrise ebenso wie Zeichen aus dem Brit-Pop oder dem französischen Autorenfilm aufgreift, nun direkt ins Herz der von Adorno und Horkheimer kritisierten Kulturindustrie vordringt erscheint zwar logisch – ob er die richtige Methode gewählt hat, seinen kritischen Standpunkt souverän beizubehalten, ist jedoch fraglich. Eher scheint es, als sei er selbst in die Fänge einer übermächtigen Produktionsmaschine geraten. Das Gleichgewicht zwischen Aufwand und Kritik ist eindeutig aus den Fugen geraten. Daher erschließen sich die zahlreichen Bezüge in seinem filmischen Werk ''Imitation of Life'' erst durch den umfassend und sorgfältig gearbeiteten Katalog, wo etwa Esther Leslie in einer historischen und filmtheoretischen Analyse herausarbeitet, welch großes Thema der Zeichentrickfilm etwa auf dem Filmfestival der Biennale in Venedig im Italien Mussolinis 1938 war. Damals lief in Venedig der erste Spielfilm der Disney-Studios ''Snow White'', der mit der Folienanimationstechnik eine Hochblüte der Animation einleitete. Die minutiös genau gearbeiteten Zeichnungen, wie sie zur Animation von Wasser in Bewegung etwa notwendig sind, bilden das Thema der ausgestellten Zeichnungen im Österreichischen Pavillon. Auch sie thematisieren die ungleiche Gewichtung zwischen Aufwand und Wirkung, zwischen Arbeitskraft und Aussage. Wie genial Mathias Poledna allerdings die Mittel wirklich gewählt hat, um die Mittel der Kulturindustrie in ihrem sozioökonomischen Zusammenhang aufs Korn zu nehmen, das wird sich erst aus der Distanz ausmachen lassen.
Mehr Texte von Roland Schöny

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55. Biennale von Venedig - Österreichischer Pavillon: Mathias Poledna
01.06 - 24.11.2013

Österreichischer Pavillon - La Biennale di Venezia
30122 Venezia, Giardini della Biennale
https://www.biennalekneblscheirl.at
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h, Fr, Sa bis 20 h,
Montag geschlossen außer 25/07, 15/08, 5/09, 19/09, 31/10, 21/11


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