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Bildung wider die fixen Formate

Prominent besetzt, an einem prominenten Ort und – trotz fulminanter Schlusseinlage von Yoko Ono – nur teilweise bemerkt von der breiteren Öffentlichkeit ging vor wenigen Tagen die internationale ELIA Konferenz zum Thema „Kunst – Wissenschaft und Gesellschaft“ über die Bühne. ELIA, das ist die Liga europäischer Kunstakademien und -universitäten. Von außen betrachtet mag das ein wenig nach verstaubtem Humanismus klingen. Es handelt sich aber zum Großteil genau um jene Institutionen, die zur Fortsetzung und Erweiterung von Diskurs und kritischer Praxis im Bereich der Kultur maßgeblich beitragen; und zwar auf der Ebene der Ausbildung. Keineswegs trivial ist es nämlich, darauf hinzuweisen, dass aktuelle Kunst, Sound-Culture, Musik, Theater oder Performance nur zum allergeringsten Teil auf irgendwelchen Eingebungen basiert, sondern auf institutioneller Bildung, die auch entsprechend finanziert gehört. Rektor Gerald Bast von der Universität für Angewandte Kunst, die heuer Gastgeberin dieser biennalen Tagung mit Veranstaltungsort Museumsquartier in Wien war, wies mit Nachdruck darauf hin, dass die Institutionen der Kunstausbildung Orte sind, an denen die Bedingungen für freies, nach vorne hin offenes Forschen geschaffen werden. Somit wurde die Qualität der Kunst als Terrain fragenden und analytischen Forschens hervorgestrichen. In Anspielung darauf kam die Fluxus Legende Yoko Ono verpackt in einem Sack, der wirkte wie ein Ganz-Körper-Schleier, robbend auf die Bühne und befreite sich dann allmählich aus dem unförmigen Körperkleid. In weiterer Folge kommunizierte sie mit der filmischen Dokumentation einer ihrer Performances aus den 1960er Jahren, indem sie diese reinszenierte. Es war also mehr, als bloß die Zelebrierung ihrer eigenen Person. Immer noch gehe es darum, die Frau in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, erklärte Yoko On dann im Anschluss. Key Note Speaker Ute Meta Bauer vom MIT Boston, die in Wien an der Akademie der bildenden Künste das Institut für Gegenwartskunst aufgebaut hat, erinnerte daran, dass sie hier als einzige Professorin unter 24 Kollegen begonnen hat, während die Akademie heute immerhin von zwei Frauen geleitet werde. Außerdem – und auch das sind übrigens Erfolge einer Universität – habe die Akademie derzeit 160 PHD-KandidatInnen, wobei sich die Themen hauptsächlich in ehemals neue Bereiche wie postcolonial- oder gender-studies erstrecken. Kein Wunder, dass die Vereinheitlichung des Bildungssystems in Europa im Zuge des Bologna-Prozesses mittlerweile mit Skepsis gesehen wird. Dies wurde zwar nicht explizit vorgetragen, klang aber im Subtext immer wieder durch. Besonders im Bereich der Kunst wurde deren forschende Qualität in den Vordergrund gerückt. Nicht nur das. Zur Eröffnung hielt Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny eine engagierte Rede für die Investition in Kultur durch die öffentliche Hand, ohne die Kunst zu kommerzialisieren. Außerdem beheimate die Kulturmetropole Wien, die zu einem Brennpunkt für Gegenwartskunst avancierte, 18 000 WissenschaftlerInnen und mehr als 100 000 StudentInnen, was die Auseinandersetzung generell stärke. Freilich, bei der Veranstaltung mit ReferentInnen wie Hito Steyerl, Matthias Horx und Peter Weibel sowie mehreren Table Talks und Open Floor handelte sich um einen Kongress, auf dem gewöhnlich Erfahrungsaustausch und Networking im Vordergrund stehen. Nachdem die Folgen der auf den Finanzmärkten verursachten Krise jetzt aber rasant auf die einfache Bevölkerung, auf Bildung und diskursive Kultur abgewälzt werden, wäre es an der Zeit, dass die einschlägigen Institutionen mit einem entsprechend schlagkräftigem Kommuniqué verbunden mit Aktionen an die Öffentlichkeit treten, zumal die „12th ELIA Biennial“ Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft als Motto auf ihren Fahnen geschrieben hatte. Auch wenn sich die öffentliche Resonanz in Grenzen hielt, Ansätze dazu wurden formuliert. Im Fragenkatalog zum public voting stand als Feststellung immerhin an erster Stelle: „The crisis of our market-oriented economic and social systems calls for a repositioning of the Arts and Higher Arts Education within society.“ www.elia-artschools.org
Mehr Texte von Roland Schöny

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