Werbung
,

Franz West 1947 – 2012

Einer der bedeutendsten Künstler aus Österreich ist verstorben. Franz West erlag in der Nacht zum Donnerstag den 26. Juli einer lange dahinschwelenden infektiösen Gelbsucht. Damit verliert die Kunstwelt einen der international wichtigsten Vordenker im Bereich der zeitgenössischen Bildhauerei. Erst im Vorjahr ist Franz West auf der 54. Biennale Venedig für sein Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden. Das OEuvre des 1947 in Wien geborenen Künstlers, der nach einer autodidaktischen Phase bei Bruno Gironcoli studiert hat, ist geprägt durch das Umfeld der Wiener Gruppe und des Aktionismus. West war durch die Wiener Moderne, insbesondere Sigmund Freud und Ludwig Wittgenstein, beeinflusst. In den 1980er Jahren gelegentlich noch unter prekären Bedingungen lebend, erfuhr Franz West im Zuge seiner Auszeichnung mit dem Otto Mauer Preis 1986 sowie dann mit seiner Teilnahme als Vertreter Österreichs auf der Biennale Venedig unter Kommissär Hans Hollein 1993 zunehmende Anerkennung. 1993 hat er außerdem den Skulpturenpreis der Generali Foundation erhalten. Zu dieser Zeit wurde West mit seinen - zur performativen Verwendung einladenden - »Paßstücken« bekannt: mit transportablen, Skulptur ähnlichen Objekten, die wie Prothesen an den Körper gelegt werden konnten. So intendierte der Künstler, Neurosen zu verbildlichen. Interaktion durch Benützung war stets ein Grundthema in der Arbeit Wests. Er setzte dieses Konzept in Sitzmöbeln aller Art fort. Für die Documenta X, 1997, entwarf er mit Heimo Zobernig die Stühle für den Veranstaltungssaal der Reihe »100 Tage - 100 Gäste«. Er reaktivierte damit auch die seit dem frühen 20. Jahrhundert kursierende Frage nach den Grenzen zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand. Wo sich Diskurse jedoch als allzu ernsthafte Manifestationen anbahnen, antwortete Franz West stets mit Subversion und Ironie. Während er sich selbst gelegentlich als Superstar inszenierte, konnte es schon mal vorkommen, dass er seine Arbeiten sehr kleinteilig und fast wie beiläufig präsentierte; etwa in Venedig 2011 in seiner Miniretrospektive im Arsenale. Franz Wests Skulpturen im Außenraum wiederum sehen mitunter aus wie Exkremente oder männliche Geschlechtsteile, allerdings nicht konzise, sondern wie zusammengeflickt. Sofern dies in der Kunst der Gegenwart überhaupt noch möglich ist, berühren sie Demarkationslinien zur Tabuverletzung. Zwar sind sie erkennbar ästhetisiert, verbleiben aber jenseits des Kunstschönen. Wests Lemurenköpfe etwa, die an Geisterwesen der römisch-antiken Religion erinnern sollen, sehen aus wie Fratzen oder riesenhafte Masken aus Pappmaché, in deren Münder von den Passanten dann auch noch Müll reingeschmissen wird. 2001 wurde Wests Papierzeichnung »Schirches Bild« bei einer Dorotheum-Auktion für einen Rekordpreis von EUR 27.906.- verkauft. Franz West hatte etwa 1997 eine Personale im MOMA in New York, 2002 dann in den Deichtorhallen in Hamburg. Später gab es Einzelausstellungen in der Whitechapel Art Gallery in London, in der Gagosian Gallery in Beverly Hills, der Fondation Beyeler in Basel oder im Kölner Museum Ludwig. In Österreich waren große Ausstellungen im MAK und im Kunsthaus Graz zu sehen. Für 2013 bereitet nun das MUMOK in Wien eine Retrospektive vor. Franz West soll im kleinsten Familienkreis in einem Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt werden.
Mehr Texte von Roland Schöny

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: