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7. Berlin Biennale: Wer provoziert da wen ?

Nur allzu leicht würde man es sich machen, die 7. Berlin Biennale als gescheitert hin zu stellen, wie beispielsweise aus der taz dröhnend zu vernehmen ist. Interessant jedoch, dass ausgerechnet eine Tageszeitung mit linkem Hintergrund, die Behauptung lanciert, dass hier die politische Kunst diskreditiert werde. So was kann weh tun und steht natürlich im Gegensatz zu den Intentionen der Biennale-MacherInnen. Diese schreiben nämlich „Engagement“ ganz groß auf ihre wehenden Fahnen. Bissige Kommentare dazu häufen sich. Im gleichen Atemzug wird die Frage gestellt, was denn aktuell adäquate politische Kunst sein könnte. Ein bemerkenswerter Effekt. Die spätestens seit den 1960er Jahren bestehende Aufladung zahlreicher Strömungen der Avant Garde mit emanzipatorischen Diskursen gilt somit als ein status quo. Nachgedacht wird auf Seiten der Kritik sogar über Möglichkeiten der Optimierung. Im Gegensatz zu den einstigen Ressentiments gegen Ute Meta Bauers Biennale-Konzept, dem man noch unterstellt hatte, sie würde die Kunst für das Politische instrumentalisieren, durchaus ein positiver Quantensprung. Es ist dieser Biennale, die nun kürzlich im KW Institute for Contemporary Art in Berlin-Mitte umrankt vom Berliner Gallery Weekend mit einem riesigen Straßenfest eröffnet wurde, daher auf ihrer Plus-Seite zu verbuchen, dass all die medialen Auseinandersetzungen um sie und ihre Aktionen längst eine eigene Dimension angenommen haben und – wie beabsichtigt – zu einem wesentlichen Teil des ganzen Unternehmens geworden sind. Schon im Vorfeld des Openings der Ausstellung war gezielte Provokation eine der Methoden, Öffentlichkeit herzustellen. Erinnern wir uns nur an die Buchsammelaktion des tschechischen Künstlers Martin Zet »Deutschland schafft es ab«, die breite kontrovers geführte Debatten lostrat. Es war der umstrittene Aufruf zum Recycling von mindestens 60 000 Exemplaren des Sachbuch-Bestsellers »Deutschland schafft sich ab«, in dem immer noch SPD-Mitglied Thilo Sarazin anti-migrantische und anti-türkische Tendenzen befördert. Währenddessen rief der palästinensische Künstler Khaled Jarrar die Existenz eines »State of Palestine« aus, was er nicht nur per Pass-Stempel-Aktion auf dem Zentralen Busbahnhof von Ramallah, sondern auch noch durch eine Briefmarke bestärkte, die er über das Service »Marke individuell« der Deutschen Post AG produzierte. Und nicht nur das: Am 24. März bereits startete in Italien die weltweite Aktion gegen Zensur „Occupy Ukrainian Body – Fight Censorship!“ aus Anlass der Schließung des Zentrums für visuelle Kultur an der Mohyla-Akademie in Kiew sowie der Sperre der Ausstellung „Ukrainischer Körper“. Unschwer zu erkennen: die Idee der Ausweitung. Weg vom lokalen Ereignis. So ähnlich wie Okwui Enwezor die Documenta11 mit einer Serie weltweit organisierter Plattformen zur Debatte von Themen zur Globalisierung startete. Aber wirklich nur so ähnlich, proklamieret doch Kurator Artur Żmijewski gemeinsam mit Joanna Warsza die Abwendung von – angeblich – selbstreferenziellen Kunst- und Theoriediskursen. Manifestativ geht es stattdessen um die Forcierung von Aktivismus, um Aktion und reale Eingriffe. Da ist es schon ganz gut, wenn Martin Zet durch das Ausrufen seiner Buchsammelaktion, die Frage aufwarf, was in einer demokratischen Gesellschaft eigentlich gesagt werden darf und was eben nicht. Nebenbei hatte er bemerkt, dass all jene, die seine – wirklich nur höchst entfernt ¬– an Zensur oder gar Bücherverbrennung erinnernde Aktion bemäkeln, sich bloß an deren Form stoßen würden, nicht aber am Inhalt des gemeinten Buches. Auch nicht schlecht, wenn Khaled Jarrar nun im Rahmen der Biennale-Ausstellung den Anspruch auf einen palästinensischen Staat und somit auch das in der Gegenwart virulente Thema der Staatsbürgerschaft aufs Tapet bringt. Fragt man sich jedoch, warum der für Zets Buchsammelaktion reservierte Raum fast leer, aber auch der als alternatives Aktionszentrum mit Sofas, Plakaten, Zeitschriften und da und dort aufgelegten Petitionen gestaltete Hauptraum der Biennale am Eröffnungsabend fast ungenutzt blieb, so mag eine der Erklärungen vielleicht darin liegen, dass einige der sensationalistisch aufbereiteten Themen längst im medialen Mainstream verankert sind. Ausgerechnet am Eröffnungstag der Berlin Biennale nämlich polemisierte auch der „Berliner Kurier“ gegen Herrn Sarazin; allerdings im Namen der eigenen Leute: „Sarazin verhöhnt Ost-Bürger“ titelte das Kleinformat. Leicht wird es die Berlin Biennale mit ihren weiteren Aktionen also nicht haben. Aber es war noch nie einfach, demokratische Diskurse wirksam zu positionieren.
Mehr Texte von Roland Schöny

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7. Berlin Biennale
27.04 - 01.07.2012

KW Institute for Contemporary Art
10117 Berlin, Auguststraße 69
Tel: 0049 (0) 30. 24 34 59 0, Fax: 0049 (0) 30. 24 34 59 99
Email: info@kw-berlin.de
http://www.kw-berlin.de
Öffnungszeiten: Mi-Mo 11-19, Do 11-21 h


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