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Verbotene Liebe: Kunst im Sog von Fernsehen: Strange Attractor

(Ausstellung im Kunstverein Medienturm 26.09.2010 - 27.11.2010) Die wenigsten geben ihr tagtägliches Verlangen danach zu. Die Rede ist vom Fernsehen. Der Ausstellungstitel „Verbotene Liebe“ im Grazer Kunstverein Medienturm diesen Herbst war jedoch weniger auf das Fernsehen als omnipräsente Besänftigungsdroge bezogen, sondern an die gleichnamige Serie im ARD-Vorabendprogramm angelehnt. In ihren bildkritischen Aspekten eröffnete sie einen medialen Reflexionsraum der TV als Attraktor thematisierte, der trotz Trivialität methodisch ein Begehren nach mehr und mehr ähnlichen und gleichflachen Bildern erzeugt und zugleich Fernsehen als Apparat öffentlicher Imageproduktion. Eine engagierte und sympathische Doppelausstellung gemeinsam mit dem Kölnischen Kunstverein, wo das Projekt aktuell noch läuft, unter der Leitung von Kurator Sandro Droschl in Graz sowie Anja Nathan-Dorn und Kathrin Jentjens in Köln mit Werken von Susanne Schuda, Omer Fast oder Marco Lulic. Dass im Grazer Medienturm allerdings kaum eine durchgängige These greifbar war, lag vielleicht an den vieldeutigen Angeboten, die von Seiten des Fernsehens selbst kommen. Es schien als hätte die Ausstellung zwei Zentren: Als Intro betrat man das gemütliche Wohnzimmer „Apocalypso Place“ von Christopher Draeger und Reynold Reynolds, in dem das Publikum in verschiedenen Bildschirm- und Projektionsformaten die Breaking News von einer Naturkatastrophe als Berieselungsshow erleben konnte. Daneben definierten im mittleren Bereich der Galerie Medienturm mehrere Videowerke von Heimo Zobernig neuerlich eine Art Zentrum. Zobernigs Arbeiten nehmen Motive der Populärkultur zwar als Ausgangspunkt. Er führt diese jedoch in humorvolle, strukturelle Analysen über, indem er etwa Farbwerte aus Bildern mit Hilfe der Technik des Chromakeying herausfiltert oder in das Bild des Eingangs zur Chicagoer Kunsthalle Renaissance Society eine Bluebox legt, über die er eine Stadtrundfahrt durch Chicago auf Basis einer Szene aus dem Film „Blues Brothers“ einspielt. Überraschend war die Begegnung mit dem „Space Girl Dance“ Video (2009) von Marko Lulic, wirkt dieses doch mit seiner Mädchentanzgruppe im futuristischen Silber-Dress wie ein modernistisches Science Fiction Szenario. Fernsehbezug jedoch ist gegeben, denn es ist durch eine TV-Musical Show von Raquel Welsh inspiriert. Auch Sanja Ivekovic durfte nicht fehlen: Sie war vertreten mit „Opca opasnost – soap (Generalalarm – Seifenoper). Triviales Fernsehmaterial aus dem kroatischen Nationalfernsehen unter ständiger Einblendung von „OPCA OPASNOST ZAGREB“ (Generalalarm Zagreb), welches zur Zeit des letzten Raketenangriffs auf Zagreb aufgenommen wurde. Es illustriert, wie wenig sich die Fernsehbilder tatsächlich um die Realität scheren. Hochinteressant die mehrteilige Videoinstallation „Majka from the Movie“ der polnischen Künstlerin Zuzanna Janin, die in den 1970er Jahren selbst Teeniestar in der polnischen Fernsehserie Szalenstwo Majki Skowron war. In den hinzugefügten Ergänzungen tritt nun die Tochter der Künstlerin auf. Kaum überraschend geht es diverse Identitätsfragen in der Adoleszenz, wobei diverse Medien-Stars wie Iggy Pop oder Tom Waits und sogar Slavoj Zizek auftauchen. Aber letzterer ist ja mittlerweile auch schon Pop. Und das Fernsehen ein Labyrinth, aus dem einmal die Kritik spricht, einmal Pop ertönt und dann wieder seichtes Geflimmer den Bildschirm dominiert. Nicht so im Kunstraum. Glücklicherweise. Auch wenn das Themen ein wenig zerflatterten, brachte der Kunstverein Medienturm eine intelligent aufgebaute Zusammenschau, welche größtenteils mit ironisierenden Werken die Bandbreite kritischer Bearbeitungen des Mediums Fernsehen in der Kunst absteckte. Man merkte dieser gut gefüllten Schau an: das Material hätte mindestens doppelt so umfangreich sein können. Aber in Köln geht’s ja noch weiter.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Verbotene Liebe: Kunst im Sog von Fernsehen
25.09 - 19.12.2010

Kölnischer Kunstverein
50667 Köln, Hahnenstraße 6
Tel: +49 221 217021, Fax: +49 221 210651
Email: info@koelnischerkunstverein.de
http://www.koelnischerkunstverein.de/
Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag 13 - 19 Uhr
Samstag und Sonntag 11 - 18 Uhr


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