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Frida Kahlo: Fantastische Ikone der Moderne

Längst hanteln sich die Rezensionen der Frida Kahlo Retrospektive über jeweils zwei Ebenen. Auch jetzt in Wien. Bereits im Vorfeld der Ausstellung im Bank Austria Kunstforum rückte der Kult, der um die Kahlo betrieben wird in den Vordergrund der Berichterstattung. Das Phänomen des enormen – und selbst die Marketingabteilung des Martin-Gropius-Bau in Berlin überraschenden – Publikumsansturms ist eben kaum zu übergehen. Dass die Retrospektive in der Berliner Niederkirchstraße, wo extra angereiste BesucherInnen bis zu acht Stunden Schlange standen, dort zu einer der meist besuchten Ausstellung aller Zeiten wurde, hinterlässt die Frage, was eigentlich diesen Mythos Kahlo ausmacht. Ein Moment ist die emanzipatorische Dimension im Akt der Selbstermächtigung Frida Kahlos, sich selbst aus der Position der Künstlerin heraus als Ikone zu inszenieren. Aus dieser Sicht sind auch die Fotografien interessant, auf denen sie selbst abgebildet ist. Zwar hat die steif wirkende Körperhaltung mit ihrem Wirbelsäulenleiden zu tun, doch handelt es sich auch – besonders in den Aufnahmen von Nicolas Murray – um staged photographies, in denen Kahlo durch die Art ihres eigenen Auftritts Regie führt. Zur Stilisierung Frida Kahlos als feministische Künstlerin – insbesondere seit den 1970er Jahren – kommt außerdem die Tatsache, dass sie einer intellektuellen Elite angehörte, in der linke, revolutionäre Politik und künstlerische Avantgarde in persönlichem Austausch standen. Davon erzählt ein Foto, das in der Berliner Version der Ausstellung zu sehen war, Bände. Abgebildet: der nach Mexiko geflohene Leo Trotzki, mit dem Kahlo befreundet war. Neben Kahlo selbst noch Diego Rivera und: André Breton. Wer hätte da nicht gerne am Tischgespäch teilgenommen! Die Kunst der Kahlo stellt all dies keineswegs in den Schatten. Man begegnet einem oft eigentümlichen Widerspiel zwischen märchenhafter Volkstümlichkeit und magischen Bilderfindungen einerseits und Ansätzen von Strategien der Moderne, welche in Richtung Verselbständigung von Form und Farbe weisen, andererseits. Diese Mischung mag gelegentlich befremden, doch lassen sich Kahlos Bilder in einer Tradition lesen, in der Künstler ihr eigenes Konterfei immer wieder darstellen; wie etwa Dürer. In ihren Bildern erzählt Kahlo zwar von ihrem Leiden (nach einem Busunfall), doch dahinter stehen strenge Prozesse der Formalisierung. Bedenklich wäre es also, wenn der Erfolg der Kahlo Ausstellung hauptsächlich auf die scheinbar eindeutig und linear herausdestillierbaren biografischen Narrative zurückzuführen wäre. Es rentiert sich jedenfalls dafür anzustehen. Auf Grund des enormen organisatorischen Aufwands sind solche Retrospektiven selten. Wer Schlange stehen muss, kann schon mal den Katalog zur Hand nehmen, der ist spannend und aufschlussreich geschrieben. Trotz einiger Ansätze dazu enthält er dennoch viel zu wenig Zeitgeschichte. Warum stets eloquent auf die Stereotypisierung Kahlos als Popfigur hingewiesen wird, sonst aber wenig über das nachrevolutionäre Mexiko, dessen Kulturverständnis, die Kunstszene und die Rahmenbedingungen für Frauen, ist nicht nachvollziehbar. Vor allem angesichts der Tatsache, dass dann Hollywood meistens diesen Part übernimmt. Das sollte aber nicht vom Besuch dieser eigentümlich faszinierenden Ausstellung abhalten.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Frida Kahlo
01.09 - 05.12.2010

Bank Austria Kunstforum
1010 Wien, Freyung 8
Tel: +43 1 537 33 26, Fax:
Email: office@kunstforumwien.at
http://www.kunstforumwien.at
Öffnungszeiten: Mo-So 10.00-19.00 h
Fr 10.00 - 21.00 h


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