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Georges Seurat - Figur im Raum: Im Pixelfeld der Moderne

Uns Abgebrühte und stets wohl Informierte vermögen Bilder der klassischen Moderne kaum zu irritieren. Sofern es sich nicht um George Seurat handelt. Vielleicht weil wir an den Werken des Neo-Impressionisten im Metropolitan oder in der National Gallery in London nur allzu schnell vorüber laufen. Vielleicht weil uns Seurats gepixelte Gemälde auf Postern und in filmische Animationen mit Ambient-Sound Grundierung längst das Gefühl für die richtigen Relationen ausgetrieben haben. So überraschen die Malereien dieses Vordenkers des Pointilismus in der Frankfurter Schirn Kunsthalle durch ihre auffallend kleine Dimensionierung. „La Tour Eiffel“ aus dem Jahr 1889 hat gerade mal das Format eines A4 Heftes. Seurats Zeichnungen von vorstädtischen Motiven gemeinsam mit den typisch impressionistischen Sujets von Ausflugszielen an Uferlandschaften, Booten, Seglern oder Anglern auf kleinen Holztafeln ergeben insgesamt eine ungewohnt intime Ausstellung, die einlädt, den Schritt zu verlangsamen. Die eher begrenzten Maße vieler Werke resultieren aus der Arbeit Seurats mit den in seiner Zeit häufig gebräuchlichen Farbkästen. Die beliebten „Boîtes à Pouce“ eigneten sich besonders zu kleinen Studien unter freien Himmel. In Anlehnung an die in der École des Beaux-Arts verwendeten Croquis bezeichnete Seurat seine für ihn typischen kleinen Skizzen als „Croquetons“. Zumeist im Format16 x 25 passten sie exakt in den Deckel des aufklappbaren Malkastens und ließen sich bestens transportieren. Selbst wenn die Farbe noch nicht getrocknet war. Häufig malte Seurat direkt auf die Holzplatte ohne weiße Grundierung davor. Zahlreiche Sequenzen der Ausstellung „Figur im Raum“ in Frankfurt, die gemeinsam mit der Kunsthalle Zürich zur 150. Wiederkehr des Geburtstags von Seurat konzipiert wurde, sind deshalb durch braune Hintergrundtöne gekennzeichnet. Dass die Ausstellung in der Frankfurter Schirn Hauptwerke wie „Le cirque“ von 1890/91 oder Vorstudien zu dem berühmten Gemälde „Un Dimanche à la Grande Jatte“ bringt, setzt wichtige Markierungen. Faszinierend ist aber der Eindruck von einer Medienkunst noch vor Etablierung der technischen Medien. Selbst in scheinbar beiläufigen Skizzen lässt sich erkennen, wie Seurat durch Schraffuren mit dem Zeichenstift und geometrische Elemente Wirkungen von Raum und Licht erzielte. Im Katalog zur Ausstellung in der Schirn Kunsthalle argumentiert Gottfried Boehm, dass allein diese Texturen, die ohne Linien auskommen, als revolutionär gelten. Naheliegend also, dass Seurat auf Basis der neuesten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über Farbtheorie und Physiologie des Lichts jene analytische Malweise entwickelte, die als Pointilismus die Kunst der Moderne bahnbrechend erweiterte. Bereits im Alter von 31 Jahren verstarb der finanziell stets unabhängige Künstler an Diphterie. Da konnte er den in Bau befindlichen Eiffelturm gerade noch porträtieren. Weil zu diesem Zeitpunkt noch unfertig, verlieren sich die Konturen des Turmes nach oben hin auf rätselhafte Weise im Ungewissen. Im Werk George Seurats fließen das Bild der damals triumphalen technischen Leistung und die Innovation auf der Leinwand ineinander über.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Georges Seurat - Figur im Raum
04.02 - 09.05.2010

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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