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Aneta Grzeszykowska, Elisabeth Penker: Auf den Spuren gesellschaftlicher Ordnungssysteme

Die beiden Ausstellungen von Aneta Grzeszykowska in den Galerieräumen und Elisabeth Penker im Projektraum „LOGIN“ sprechen unterschiedliche Sprachen. Momente der Berührung ergeben sich lediglich durch die Auseinandersetzung der beiden Künstlerinnen mit Systembildungen und gesellschaftlich bedingten Agglomerationen von Bedeutungen. Während der Blick der in Warschau lebenden Künstlerin Aneta Grzeszykowska psychologisch und kulturell bestimmt ist, lässt sich das Verfahren der in Wien und Rom lebenden Elisabeth Penker als ethnografisch und linguistisch fundiert umschreiben. Im Nebeneinander der beiden Positionen bilden sich schärfende Kontraste. Aneta Grzeszykowskas Interesse gilt dem Privaten in verschiedenen visuellen Übersetzungen. Etwa kartografierte sie mit dem Warschauer Künstler Jan Smaga in einer Fotoserie Wohnungen aus der Vogelperspektive, um eine intime Geschichte der Stadt über die Anordnung von Räumen, Möbeln und Gebrauchsgegenständen zu erstellen. Nun begibt sie sich mit dem Film „Birthday“ auf die Ebene frühkindlicher Begegnungen mit dem Unheimlichen. Gedreht wurde er in der Art privater Dokumentationen zur Feier des eigenen Nachwuchses anlässlich eines Kindergeburtstags. Durch kommentierende Eingriffe wie die Animation sonst unbeweglicher Gegenstände übt die Künstlerin Kritik an den Konventionen und betont so das Monströse solcher Ereignisse. In der Doppelbödigkeit von inszenierter Kindheit und Abgründigem ist auch eine Reihe monochromer dunkler Figurinen aus Stoff angesiedelt. Dass diese bekleidet sind wie Grzeszykowska in ihrer Kindheit verweist auf Versuche, Dramatisches über die ästhetische Formalisierung zu bearbeiten. Eine Fotografie mit dem durch die Hand Grzeszykowskas unabsichtlich verletztem Auge ihres kleinen Bruders und eine märchenhaft anmutende Reliefskulptur mit einem Mädchen auf einem Hund aus stacheligen Distelblüten erzählen davon. Tiefenbohrungen zum Kern semantischer Ordnungen unternimmt dagegen Elisabeth Penker im Kontext der Ausstellungsserie LOGIN in einem ehemaligen Geschäftslokal und im Foyer der Galerie selbst. Bekannt ist die Künstlerin und Musikerin Elisabeth Penker etwa durch ihre Intervention im Arkadenhof der Universität Wien mit einer Büste der österreichischen Romanistin und ersten Universitätsprofessorin Elise Richter. Diese leite das phonetische Institut bis zu ihrer Deportation ins Ghetto Theresienstadt durch die Nationalsozialisten und war in der patriarchalischen Ordnung der steinernen Köpfe der Universität – ebenso wie die Leistungen von Frauen generell – bis dahin kein Thema gewesen. In der Ausstellung „Protections“ im Kunsthaus Graz thematisierte Penker mit ihrem „First Nation Pavillon“ die Hegemonie des durch den Kolonialismus geprägten Blicks auf außereuropäische Gesellschaften. Stets sind ihre Annäherungen auf die Generierung von Bedeutungen im Sinne von Grammatiken ausgerichtet. Dementsprechend leitmotivisch fungiert ein Porträt des kürzlich verstorbenen Ethnologen Claude Lévi-Strauss in der Rauminstallation mit integrierter Soundkomposition. Die gespiegelte und mehrfach aufgefächerte Fotografie von Lévi-Strauss in „polysynthetischer Doppelperspektive” lässt sich als Verschneidung von Sprachlichem, Klanglichen und Visuellen lesen. Eine Archäologie im Feld der Linguistik wie auf Materialebene führt die Signifikanten auf engstem Raum zusammen. Triviale Vierkanthölzer, beispielsweise, wurden in genau jenen Farben lackiert, die Penker als übereinander gelagerte Sedimente unter der Dispersion der Wände freilegte. Die länglichen Hölzer beziehen sich auf den englischen Ausdruck „log“ für Stamm und somit auch auf die Ausstellungsreihe der Galerie. Bemerkenswert, dass ein Wort, das bloß aus einem Morphem besteht, einen Gegenstand repräsentiert. So baut sich über eine Reihe weiterer Objekte wie etwa den „Hanging Chairs“ aus dem Fundus der Galerie ein elementares Netzwerk von Bezügen auf. Mit ihren Werken und abstrakten Sound-Kompositionen dringt Elisabeth Penker kritisch forschend in die Makrobereiche von Grammatiken vor, um Potentiale semantischer Anbindungen in Nachbarsystemen freizulegen.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Aneta Grzeszykowska, Elisabeth Penker
22.01 - 06.03.2010

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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