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Cyberarts 2009 - Prix Ars Electronica Exhibition: In der Normalität der Echtzeitwelt

High Tech goes Low Tech. Willommen im Reich des Experimentierens und Bastelns, des Hobbygärtnerns und des Webens. Wer hätte jemals gedacht, dass die Cyberart als Leistungsschau digitaler Kunst jemals so unangestrengt daher kommen würde. Zumindest auf der Ebene ihrer analogen, so überhaupt nicht nach Computer aussehenden Materialisierungen. Im OK in Linz offenbart sich jene Welt der coolen Oberflächen, welche noch in den Anfangstagen der ars electronica Statement-Charakter hatte, bloß noch punktuell. Mit mehreren Werken rückte die Jury des diesjährigen Prix der ars electronica soziale und ökologische Aspekte in den Vordergrund. So kommt es zu einer überraschenden Wiederbegegnung mit einer Installation, die bereits auf der letzten Manifesta in Bozen zu sehen war. Tantalum Memorial Residue von Graham Harwoood, Richard Wright (UK) und Matsuko Yokokoji (UK/JP), beruht auf alten analogen Telefonschaltungen und ermöglicht über aufgezeichnete Sprache ein komplexes soziales Netzwerk aufzubauen, das als kommunikative Skulptur den Flüchtlingen aus dem Kongo gewidmet ist. Inhaltlich bezieht sich die in England entwickelte Installation vom Aussehen eines Fragments einer archaischen Telefonzentrale auf die durch den Abbau von Coltanerz im Kongo verursachte Ausbeutung. Das aus Coltan gewonnene Metall Tantal ist wiederum zentraler Bestandteil in der Herstellung von Mobiltelefonen. Ästhetisch einen verwandten Weg in Richtung alter Medien beschritt Yuri Suzuki (JP) The Physical Value of Sound, der eine Reihe interaktiver Soundinstallationen zeigt, die auf guten alten Vinylschallplatten basieren; ideell eine ähnliche Rückübersetzung wie in der Installation robotlab von Matthias Gommel, Martina Haitz und Jan Zappe (DE). Wie in einem klösterlichen Skriptorium kalligraphiert hier ein Industrieroboter im Laufe mehrerer Monate alle 66 Bücher der Bibel auf Papierrollen. Weite Teile der diesjährigen Cyberarts lassen sich somit auf der Ebene von Aufschreibesystemen im Sinne von Repräsentationsautomaten zusammenfassen, welche durch ihre werkimmanenten technologischen Zeitsprünge medienreflexiv funktionieren. Selbstverständlich wird das Knarren und Krachen dieser – zumindest teilweise – alten Apparate begleitet von aktuellen Bearbeitungen zu den Klassikern an der Schnittstelle ins Ungewisse. Also Themen wie Hybridarchitektur oder Biotechnologie. Von ars electronica Stammgast Eduardo Kac (BR) etwa, dessen entschlüsselte DNS aus dem Blut ihre Spuren in einer pflanzlichen Blüte hinterließ, oder Shiho Fukohara (JP) und Georg Tremmel (AT) mit der genetisch veränderten Nelke „Moondust“. Schade dass manche der Werke bloß als Dokumentationen oder in Form installativer Spurenelemente präsentiert werden, denn besonders seit der Eröffnung des erweiterten ars electronica center stellt sich die Frage, wie es der ars electronica in Hinkunft gelingen wird, offensiv neue Kunstbegriffe zu entwickeln und zu diskutieren. Dies wäre verbunden mit dem Bekenntnis zu durchaus aufwendigeren Präsentationen; und eventuell Produktionen. Welche Anstrengungen das Festival in den letzten 30 Jahren unternahm, electronic und digital culture zu etablieren zeigt der – etwas sparsam gestaltete – retrospektive Part im Linzer Brucknerhaus, wo dokumentiert ist, wie sich die „ars” allmählich aus dem Linzer Brucknerfest als eigenständige selbstbewusste Veranstaltung herausschälte. Hier in der Welt einer vergangenen Zukunft begegnet man übrigens in einer sorgfältig zusammengestellten Werkschau als ganz frühem Medienkunst-Pionier dem 2006 früh verstorbenen Zelko Wiener. Bereits Mitte der 1980er Jahre nahm er auf Basis der Telefon BTX Technologie Konzeptionen des heutigen Internet vorweg. Gewissermaßen also liegt hier das andere Ende der Parabel.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Cyberarts 2009 - Prix Ars Electronica Exhibition
04.09 - 04.10.2009

OK Linz
4020 Linz, OK Platz 1
Tel: + 43 732 7720-, 52502
Email: info@ooelkg.at
http://www.ooekultur.at
Öffnungszeiten: Di, So, Fei 10-18 h


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