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Younger Than Jesus: Die neue Ideologie der Erlösung

Mit der bemerkenswert seltsamen Headline „Younger than Jesus“ betitelt das New Museum in New York seine neue Triennale junger Kunst. Seit Monaten hagelt es dafür bissige Kommentare. Warum für eine „Best of Show“ ausgerechnet der zentrale abendländische Erlösungsmythos herhalten müsse, heißt es. Wenigstens van Gogh hätte man zur Bewerbung des Mottos „jung und wirkungsmächtig“ verwenden können. Offensichtlich jedoch will diese Triennale Festlegungen auf manifeste Diskussionen wie um Identitätspolitiken oder um visuelle Repräsentationen der Globalisierung in der Kunst aussparen. Stattdessen gibt’s sie sich als Forschungsprojekt mit Fokus auf KünstlerInnen mit Geburtsjahr um 1980. Dies untermauert Direktorin Lisa Phillips und ihr KuratorInnen Team mit Untersuchungen zu den sogenannten Millennials, der „Generation Y“ bzw. „Generation Me“, wobei deren Statements gelegentlich unterkomplex bis trivial daher kommen. So lässt sich vernehmen, dass niemand bis zu seinem 33. Lebensjahr mehr bewirkt hätte als eben: Jesus Jedenfalls möchte das in nur einem Jahr aus dem Boden gestampfte Unternehmen eine multiperspektivische Weltschau bieten. Dazu wurde angeblich ein Netzwerk von mehr als 150 KuratorInnen und InformantInnen weltweit beansprucht. In die Ausstellung fanden letztlich mehr als 50 KünstlerInnen, aus China, Algerien, Deutschland, Indien, Rumänien, Turkei oder Venezuela, deren Arbeit international allmählich Präsenz gewinnt. Der in London und Berlin lebende Tris Vonna-Michel fiel schon im Rahmen der letzten Berlin Biennale durch seine begehbare Dia-Installation mit Bildern von den Peripherien der niedergehenden Motown Detroit auf. Ähnliches gilt für Ahmet Ögut und dessen pfiffig-ironische Interventionen, die auf Verkehr und Geschwindigkeit Bezug nehmen. Auch zu Begegnungen mit Jeffrey Inaba, Ugo Rondinone, Keren Cytter, Cory Arcangel, Anna Molska oder den Rumänen Ciprian Muresan kommt es. Allerdings steht dahinter auch der Versuch einer thematischen Kategorisierung. Etwa mit der Überschrift: „IMAGINING THE FUTURE: Possible worlds and fantasies of identity“. Dafür typisch: Die retrofuturistische Videoarbeit von Ryan Trecartin, geb1981, die an Low Tech Computerspiele, aber auch an die Ästhetik von You-Tube und FlickR erinnert. Weitere Kapitel heißen „THE ROMANCE OF OBSOLESCENCE: The artist as archeologist“ oder „REWRITING THE PAST: What do we remember? How do we forget?“. Darin spiegelt sich immerhin die Anstrengung, mit einer spritzig und abwechslungsreich inzenierten Ausstellung, Gegenwartskunst einem breiten Publikum zu vermitteln, was, ja, seit jeher, Hauptaufgabe von Biennalen und Triennalen ist. Auffallend bleibt, wie die Aktivierung des Mythos von „jung“ verbunden mit „erfolgreich“, mit den ideologischen Rekonstruktionsversuchen Amerikas als Supermacht des Guten korreliert. Doch auch historisch liegt es auf der Hand, dass sich das New Museum an der Bowery explizit auf die Produktion tendenziell junger KünstlerInnen konzentriert. Dies zählte schon zu den Gründungsmotiven für das Museum, das Whitney Dissidentin Marcia Tucker im Jahr 1977 initiiert hat. In Hinkunft wird sich also die Frage nach weiteren Abgrenzungen von der auf US-Kunst konzentrierten Whitney Biennale stellen.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Younger Than Jesus
08.04 - 05.07.2009

New Museum
NY 10002 New York, 235 Bowery
Tel: ++1-212.219.1222
http://www.newmuseum.org/
Öffnungszeiten: Mi 12-18, Do, Fr 12-22, Sa, So 12-18 h


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