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Maria Hahnenkamp: Im Orbit des Imaginären

Ein sakral anmutender Raum eröffnet sich. Das gedämpfte Licht erzeugt eine Stimmung wie in Kirchenräumen im Kerzenschein. Dazu erklingt eine Barockkantate gesungen von einem Countertenor. Im Abstand dazu ist auch eine Sopranstimme zu hören. An diesem Ort der Entrückung vermengen sich Assoziationen an geheiligte Räume mit einem inszenierten Bild der Frau, das Ergebnis gestrenger Disziplinierung ist. An die Wand projiziert bewegen sich Tänzerinnen in einer Kurzfilmsequenz. Unweit davon entfernt: eine Abfolge von Bildern aus der Welt der Fashion-Fotografie als intime Diashow. Wir befinden uns im zentralen Ausstellungsraum des Salzburger Kunstvereins. Maria Hahnenkamp, deren Projekte und Ausstellungen eine atemberaubend dichte Abfolge annehmen, hat hier inszenatorisch miteinander verwoben, was sie in ihren Werken und Installationen oft in Form von Bild-Konstruktionen und Collagen nebeneinander stellt. Nämlich Motive aus der christlichen Kunst mit sexuell konnotierten weiblichen Körperbildern. Anstelle solcher Bildgefüge auf der Basis ikonografischer Recherchen erzeugt die Künstlerin hier eine atmosphärische Zone, welche die gesamte Raumsituation im Salzburger Kunstverein determiniert. Die Operation der Künstlerin erscheint riskant. Denn ihre Zusammenführung von sich überlagerndem Bildmaterial mit parallel laufendem oder darüber gelegtem Text in Kombination mit Musikzitaten und Sound verleitet zunächst eher zu einer assoziativen Wahrnehmung der Gesamtstimmung, denn zu einer analytischen Annäherung. Allerdings hat Maria Hahnenkamp auch einen deutlichen formalen Kontrapunkt aus dokumentarischem Filmmaterial in die Ausstellungssituation eingebracht, der für das Publikum anfangs unaufdringlich im Hintergrund bleibt. Denn zunächst spricht die Künstlerin durch das gedimmte Licht eine Einladung zum Ausharren aus. In Form verschiedener Annäherungen bringt sie einen zentralen Topos aus ihrem Werk ins Spiel: Das Ornament. In der filmischen Sequenz mit Tanz-Dokumentationen etwa als digitalisierte Überlagerung unter Verwendung einer Vorlage von 1860. Aber auch in den Fotografien, wo die bildliche Übersetzung des weiblichen Körpers grafischen Charakter annimmt. Bilder von Frauen – oder Bilder der Frau – tauchen in Form verschiedener Gestalten auf: als Epiphanie und theatralische Erscheinung genauso wie als verhülltes kaum greifbares Objekt. Stets aber bleibt der Körper Material, Objekt des Begehrens und Mittel des Ausdrucks. Das fasziniert und verunsichert gleichzeitig, weil die Frau als aktives, im Leben stehendes Subjekt im künstlerischen Teil der Ausstellung ausgeblendet bleibt. Gesellschaftliche Codierungen werden extrem pointiert in Bilder übersetzt. Der Titel eines gesanglich paraphrasierten – eingespielten – Textzitats des Philosophen Dietmar Kamper aus dem Band "Bildstörungen" könnte daher programmatisch über der Ausstellung stehen: Im Orbit des Imaginären. Es verweist deutlich auf diesen einen Pol der Ausstellung. Durch verschiedene Methoden der Verstärkung des visuellen Ausdrucks lässt Maria Hahnenkamp bewusst die hypnotische Wirkung inszenierter Körperbilder zu. Auf fast rätselhafte Weise treffen Bild und Text aufeinander. Dies gilt für die Texte Dietmar Kampers wie auch für kritische Textzitate der feministischen Literaturwissenschafterin Judith Butler in der neuen Videoarbeit Hahnenkamps mit dem Titel "V5/08". Sehr bewusst arbeitet Hahnenkamp mit dem Moment der Verführung des Blicks, um ihr Publikum an eine Situation heranzuführen, in der die von ihr thematisierten gesellschaftlichen Normierungsprozesse durch die Schönheit der Oberflächen in den Hintergrund gedrängt werden. Zugleich greift sie in Fortsetzung ihres bisherigen Werks zentrale Themenfelder der Rollenbildung und der Ritualisierung von körperlicher Darstellung auf und verschneidet verschiedene Traditionen des abendländischen Bilderkanons miteinander. Rollen, Rituale und Gesten übersetzt Hahnenkamp auch hier wieder in verschiedene Medien. Allerdings setzt sie dazu einen deutlichen Kontrast, der verglichen mit ihren bisherigen Ausstellungskonzepten fast überrascht. Als formalen wie auch räumlichen Kontrapunkt zu ihren künstlerischen Arbeiten hat Maria Hahnenkamp eine Info-Station mit teils ausführlichen Videodokumentationen zum Thema Frauenbewegung und feministische Gesellschaftskritik eingerichtet. Die Materialsammlung enthält beispielsweise ein Fernsehporträt von Simone de Beauvoir aus dem Jahr 1979 oder ein Porträt der Psychoanalytikerin Julia Kristeva; daneben auch Fernsehbeiträge über Alice Schwarzer oder den Töchtertag in Österreich. CD Player enthalten darüber hinaus zwei psychoanalytische Vorlesungen von Christa Rohde-Dachser. Inhaltlich logisch hat die Künstlerin diesen Teil der Ausstellung auch in ihre Werkliste integriert. Durch geschickten Umgang mit den Lichtmitteln im Salzburger Kunstverein fügt sich die Infostation harmonisch in den Gesamtzusammenhang des Raumes. Durch diese überraschende Operation gelingt es Maria Hahnenkamp, eine Plattform zu integrieren, von der aus sich die Werke neuerlich und begleitet von einem kritischem Werkzeug-Kasten aufrollen lassen. Interessanterweise wird die extreme Homogenität der Ausstellung auf diese Weis kaum durchbrochen, sondern eher ein notwendiger Nukleus eingefügt.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Maria Hahnenkamp
07.02 - 13.04.2008

Salzburger Kunstverein
5020 Salzburg, Hellbrunnerstrasse 3
Tel: +43 (0) 662/84 22 94-0, Fax: +43 (0) 662/84 07 62
Email: office@salzburger-kunstverein.at
http://www.salzburger-kunstverein.at
Öffnungszeiten: Di-So 12-19h


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