Werbung
,

Einführung in die Kunstgeschichte 3: Im Labyrinth der Repräsentation

Ihre Wendigkeit im Wechsel der Stoßrichtungen ihres Programms dokumentiert die Salzburger Galerie Fotohof diesmal durch eine Zoombewegung in vergangene Epochen. Aus dem Blickwinkel aktueller Kunstdiskurse bringt sie eine "Einführung in die Kunstgeschichte" mit visuellen Übersetzungen klassischer Motive in Bildformen der Gegenwart. Ein Besuch dieses Proseminars an den wenigen noch verbleibenden Kurstagen sei unbedingt angeraten. Anstelle etwaiger ironischer Seitenhiebe auf unser angestaubtes Bildungssystem unternimmt das in Kooperation mit Ursula Blickle Stiftung realisierte Projekt mit dem bewusst ein wenig bieder formulierten Titel eine wohltuend sachliche Auseinandersetzung mit Blickkonventionen auf Themen der europäischen Kunstgeschichte im Medium der Fotografie. Prototypisch dafür stünden etwa die prominenten "Museum Photographs" von Thomas Struth. Allerdings ist der deutsche Künstler in der Salzburger Variante des von Kurator Martin Hochleitner für verschiedene Orte jeweils anders konzipierten Projekts nicht vertreten. Die Gruppenausstellung in der Galerie Fotohof bringt unter anderem Arbeiten von Claudia Angelmeier, Danica Dakic, Dorothee Golz, Maria Hahnenkamp, Edgar Honetschlager, Franz Kapfer, Lisl Ponger oder Timm Rautert. Höchst verschiedene Positionen also, deren Auswahl einen subtilen Rhythmus aus Brechungen, Variationen und Kontrapunkten garantiert, während das Hauptthema der Ausstellung - die Generierung sekundärer Repräsentationen mit dem Auge der Kamera - konzise durchläuft. Tim Rauterts dreiteilige Werkgruppe "Keiner hat etwas gesehen" im Seitentrakt der Galerie Fotohof bildet einen möglichen Einstieg. Denn seine fotografischen Reproduktionen klassischer Kunstwerke schaffen immer wieder transitorische Räume der Wahrnehmung. Geradezu suggestiv und im Interferenzfeld zwischen historischer Reportage und Lehrstück über die Künstlichkeit jeglicher Form visueller Repräsentation wirken die Gemäldeabbildungen Rauterts im Fotohof, welche die Ermordung des radikalen Jakobiners Jean Paul Marat zum Thema haben. Ein ebenfalls fotografisch reproduziertes Zeitungsschnipsel, das auf die Beschädigung eines Gemäldes im Labinet-Museum in Versailles verweist, verdoppelt das Motiv des Attentats. Noch weiter zurück in die Kunstgeschichte tastet sich der in seinen Fotografien oft selbst schauspielernde Peter Dressler. Indem er musealisierte antike Fundstücke ins fotografische Bild rückt und zugleich typische Körperhaltungen von Museumsbesuchern nachahmt, untersucht Dressler die inszenierten Blickbeziehungen innerhalb der großen Kunstspeicher. Währenddessen unternimmt Franz Kapfer in einer fotografischen Bildanalyse barocker Ikonografie eine Annäherung an den in den Türkenkriegen erfolgreichen Prinz Eugen und die Generierung des Siegermythos über sexuelle Codes. Methodisch bildet Kapfers Zugang einen Kontrapunkt zu den Diaprojektionen Maria Hahnenkamps, in denen sie die Sexualisierung des weiblichen Körpers in bekannten Werken der Kunstgeschichte thematisiert und damit zugleich männliche Stereotypien reproduziert. Über die Operation kritischer Analyse entsteht eine neue Ebene der Auratisierung. Technisch erinnern die von Maria Hahnenkamp eingesetzten Diaprojektionen genau an jenes Medium, das jahrzehntelang ganze Vorlesungsserien der Kunstgeschichte in Österreich dominierte, ohne dass dort Lehrveranstaltungen zur Geschichte oder gar Theorie der Fotografie angeboten worden wären. Im Vorwort zum Katalogbuch verweist Kurator Martin Hochleitner subtil auf die Funktion der Bombardments fotografischer Projektionen zur Konstitution einer diskursfreien Atmosphäre an den Unis selbst noch in allerjüngster Vergangenheit. Zugleich wurden auf diese Weise sekundäre Bildwelten generiert, in denen Architektur, Plastik und Skulptur beispielsweise grundsätzlich schwarz-weiß blieben. Vor diesem Hintergrund reißt die Ausstellung ein Konfliktfeld an, in dem KünstlerInnen aus ihrer jeweiligen kritischen Praxis heraus, jene dienende Funktion fingieren, die dem Medium der Fotografie auf der Ebene der Dokumentation lange zugeschrieben wurde. Das macht diese Operation eines retrospektiven Blicks in die Kunstgeschichte mit den Mitteln der Fotografie letztlich so spannend. Durch Verdopplung und Überlagerung historischer und bildkritischer Ebenen im System der Repräsentation werden Methoden der Konstitution von Realitäten in der Kunstgeschichte befragt. Zugleich greift die Ausstellung derzeit wieder reaktualisierte Fragen nach Kanon und Ikonografie auf. Deutlich merkbar bleibt in diesem wie auch anderen Projekten dieser Qualität und Größenordnung, dass die notwendigerweise begrenzte Auswahl an Werken den Diskursnukleid Galerieraum immer wieder aufs äußerste anspannt und ein Kraftfeld generiert, das so manche gehypte Großausstellung gründlich in Frage stellt.
Mehr Texte von Roland Schöny

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Einführung in die Kunstgeschichte 3
23.01 - 01.03.2008

Fotohof (alter Standort)
5020 Salzburg, Erhardplatz 3
Tel: 662 - 849296, Fax: 849296 - 4
Email: fotohof@salzburg.co.at
http://www.fotohof.or.at
Öffnungszeiten: Mo-Fr 15.00-19.00 Uhr, Sa 10.00-13.00 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: