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Herbert W. Franke - Visionär: Der fantastische Rationalist

Das Internet wird geradezu überschwemmt mit digital erstellten Zeichnungen, Illustrationen, Bildern, die eines gemeinsam haben: Sie werden auf digitalen Marktplätzen als NFTs, Non Fungible Token angeboten und manche von ihnen haben bereits Preise in der Höhe von vielen Millionen Euro erreicht, die meisten werden wohl irgendwann wieder gelöscht werden.

Man mag über den aktuellen Hype verwundert sein, die künstlerische Qualität vieler Werke zurecht hinterfragen, dennoch erhält die digitale künstlerische Kreation derzeit eine öffentliche Aufmerksamkeit, die mehr als 40 Jahre Festivalgeschichte der ars electronica und über 30 Jahre museale Aufbereitung am ZKM bisher nicht zustande gebracht haben.

Der neue Blick auf Kunst die mit digitalen Medien erstellt wird bzw. sich in diesen entfaltet, zielt aber nicht nur auf aktuelle Trends und Blockchain-Investments, sondern schließt vor allem auch eine Rückschau auf die Grundlagen und die Entwicklungen der „Computerkunst“ mit ein. Mit der gelungenen Retrospektive von Herbert W. Franke würdigt das Francisco Carolinum aktuell einen der wichtigsten Wegbereiter des Genres.

Herbert W. Franke gehört zu den frühesten und bedeutendsten Pionieren der künstlerischen Auseinandersetzung mit bildgebenden Verfahren auf Basis von digitalen Rechenoperationen. Bereits ab Mitte der 1950er Jahre setzte sich Franke, der in Wien Physik, Mathematik, Chemie, Psychologie und Philosophie studiert hatte, mit den ästhetischen Möglichkeiten der Bilderzeugung mit elektronischen Geräten auseinander. Die flimmernden Kurven von Oszillographen bannte Franke dann, mangels anderer Ausgabegeräte, auf Fotografien, die ganz klassisch analog entwickelt wurden. Erste Ergebnisse seiner künstlerischen Forschungen konnte er schon 1959 im Wiener Museum für angewandte Kunst zeigen. Das Setting der damaligen Ausstellung wird im Francisco Carolinum in Teilen nachempfunden.

Seinen eigentlichen Beruf als theoretischer Physiker übte Franke nur einige Jahre nach dem Studium in Deutschland aus, bevor er sich ganz seinen drei großen Leidenschaften widmete. Als Höhlenforscher erkundeter er das Innere der Erde, nahm an tagelangen Expeditionen teil und entwickelte dabei quasi nebenbei eine Methode zur Berechnung des Alters von Tropfsteinen. Bereits nach dem Krieg hatte Franke begonnen, Kurzgeschichten zu schreiben und kam über den Umweg eines Beratervertrages für einen Verlag, der eine erste Reihe von Science-Fiction Literatur herausgeben wollte, zu seiner ersten Veröffentlichung: Das Buch „Der grüne Komet“ umfasste 64 Kurzgeschichten, mit denen er seinen Ruhm als Science-Fiction Autor begründete.

Seine Bekanntheit als bildender Computerkünstler benötigte hingegen weitere Jahre der Auseinandersetzung mit der Ästhetik des errechneten Bildes. Ende der 1960er Jahre machte Franke erste Versuche mit algorithmisch generierten Computergrafiken machen, von denen eine 1970 auf der Biennale von Venedig gezeigt wurde. Diese „Quadrate“ aus dem Jahr 1967 haben mittlerweile auch Eingang in die Welt der NFTs gefunden. Im Rahmen der Ausstellung Proof of Art (das artmagazine berichtete https://www.artmagazine.cc/content115085.html) wurde der ursprüngliche Algorithmus nachprogrammiert und zur Erstellung von NFTs genutzt.
Neben seinen praktischen Forschungen an der elektronischen Bilderstellung setzte sich Franke auch theoretisch mit der Ästhetik computergenerierter Kunst auseinander. Er verfasste Publikationen zur kybernetischen Ästhetik und lehrte „Computergrafik und Computerkunst“ an der Akademie für Bildende Künste München. Vielleicht wäre heute sogar Wien das österreichische Zentrum für Elektronische Künste, denn Mitte der 1970er Jahre war Franke damit beauftragt worden, ein Konzept für die Präsentation von digitaler Kunst im Wiener Künstlerhaus zu entwickeln. Es kam schließlich zu keiner Realisierung seiner weitreichenden Ideen. Die Bekanntschaft zwischen Herbert Franke und dem damaligen Intendanten des ORF-Studios Oberösterreich Helmut Leopoldseder, führte jedoch dazu, dass ein Teil der Pläne in Linz umgesetzt wurde und Franke zum Mitbegründer des ars electronica Festivals wurde.
In seinen ästhetischen Forschungen befasste er sich mit den mathematischen Grundlagen des „Schönen“, in seiner experimentellen Kunst suchte er das Neue, nicht so sehr die Perfektionierung von Methoden. Vielmehr versuchte er über in den Code eingewebte Fehler dem Zufall und einer Bildsprache jenseits einer sturen Reproduktion von einer einmal gefundenen Formensprache Raum zu geben. „Der Zufall kann geplant werden, die Störung wird ein Faktor der Strategie.“, so Franke 1973. Damit ist Franke auch ein Pionier der generativen Kunst, die heute im Rahmen der NFT-Welle wiederentdeckt und gesammelt wird.

Bis heute experimentiert und programmiert Herbert W Franke am Computer. Schon 2005 hat er eine virtuelle Welt konzipiert, in der man sich in 3D bewegen kann und in der es Ausstellungsräume für digitale Kunst gibt. Mit Active Worlds einer 3D-Welt die noch vor Second Life online ging, konnte man ab 2008 dann Frankes Z-Galaxy und die darin gezeigten Kunstwerke virtuell besuchen. Der zwischenzeitlich zerstörte Vorläufer des Kunst-Metaverse konnte in den vergangenen Monaten rekonstruiert werden und ist nun wieder zugänglich (Windows only).

Als Künstler bleibt Franke seinen wissenschaftlichen Wurzeln immer treu. Dabei ist sein Werk geprägt vom Potential der gesellschaftlichen Innovation durch technologischen Fortschritt. Er ist ein Forschender, ein Rationalist, der sich nicht nur mit der (ästhetischen) Entdeckung begnügt, sondern dieser auf den Grund gehen, sie dokumentieren und analysieren will, um daraus neue Formeln zur Erklärung einzelner Phänomene entwickeln zu können. Information ist für ihn seit jeher Teil jeder am Computer generierten künstlerischen Äußerung, denn der Computer ist für ihn eine informationsverarbeitende Maschine. Kunst die am Computer entsteht, transportiert für Herbert W. Franke Informationen, die dazu dienen, die menschliche Wahrnehmung zu entwickeln und zu verbessern, was dann wiederum der Gesellschaft als Ganzes zugute kommt.

Mehr Texte von Werner Remm

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Herbert W. Franke - Visionär
30.03 - 12.06.2022

FC - Francisco Carolinum
4010 Linz, Museumstraße 14
Tel: +43 732 7720 522 00
Email: info@ooelkg.at
https://www.ooekultur.at
Öffnungszeiten: Di-So, Fei 10-18 h


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