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Marko Lulić - KOLARIĆ: Xenophobie in der Orthographie

Eines der beliebtesten, typisch österreichischen Argumente gegen Fremdenfeindlichkeit ist die Geschichte mit der monarchischen Vergangenheit: Der Österreicher kann à priori gar nicht gegen "de Auslända" sein, da ja schon die jahrhundertelange Tradition des Vielvölkerstaates dagegen spricht. Jedem seine böhmische Großmutter. Unter den Tisch gekehrt wird dabei der Assimilationsdruck, unter dem MigrantInnen damals wie heute standen und stehen, und infolgedessen etwa die Schreibweise ihres Namens ändern. Mit seinem Projekt KOLARIĆ vor der Wiener Arbeiterkammer begreift Marko Lulić diese Ignoranz gegenüber der Orthographie als Essenz einer Problematik, die bis heute ungelöst ist. Sogar in Schulbüchern der achtziger Jahre war das berühmte Plakat aus dem Jahr 1973 abgebildet: "I haaß Kolaric, du haaßt Kolaric, warum sogns zu dir Tschusch", sagt ein kleiner Bub in Lederhose zu einem älteren Mann. Der Fehler in der Schreibweise, der aus dem ć ein einfaches c machte und damit auch gleich die Aussprache änderte, fiel wohl den wenigsten ÖsterreicherInnen auf. Mit riesigen Lettern, die den Namen Kolarić einmal in seiner tatsächlichen, einmal in der assimilierten Schreibweise "Kolaritsch" wiedergeben, macht Lulić darauf aufmerksam. Gleichzeitig verweist die serielle Präsentation des reproduzierten Plakates auf den Billboards vor der AK auf dessen populärkulturellen und ikonischen Charakter damals, der Bruch in der Medialität und Ästhetik des in der Wiederauflage drucktechnisch etwas schleißig erscheinenden Images auf die rettungslose Obsoletheit des Sujets heute. Lulić macht so das Kolaric-Plakat zu einem Denk- und Mahnmal, das trotz seiner Nichtaktualität sowohl heutige Migrationsbewegungen als auch die veraltete Argumentationslinie betreffend ein Problem auf den Punkt bringt, das immer und überall aktuell ist: Die mehr oder weniger unbewusst latente Xenophobie eines vorgeblich politisch korrekten Teils der Gesellschaft. Dazu gehören wir übrigens selbst.

Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Marko Lulić - KOLARIĆ
01.06 - 31.08.2003

Arbeiterkammer Wien
1040 Wien, Prinz Eugenstraße 20-22
http://kultur.arbeiterkammer.at/


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