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Mies

Bekanntlich folgt im architektonischen Modernismus die Form der Funktion. Oder so ähnlich. Weniger ist ja auch mehr, und gemeinsam erbaut man die Kathedrale des Sozialismus. Nichts ist ergiebiger als der Slogan. In diesem Sinn hatte Ludwig Mies aus Aachen, der sich aus nachvollziehbaren Gründen ein weltläufiges van der Rohe anfügte, kein größeres Problem, als er es mit dem gleichen Entwurf ein paar Mal versuchte. Die Form blieb beständig, ein wunderbar elegantes, panoramatisch breit hingelagertes, von einer kühn vorkragenden Platte abgeschlossenes und artifiziell auf einem Sockel präsentiertes Gestell aus Glas, transparent, luftig, durchproportioniert. Das Gestell war als Verwaltungsgebäude gedacht, um ein alkoholhaltiges Getränk namens Rum sollte es sich drehen, der Name Bacardi war ihm auf den Leib geschrieben und es sollte Platz finden in Santiago de Cuba. Dann kam Castro, und das Gestell landete in Berlin, um die Neue Nationalgalerie aufzunehmen. Hier ist es immer noch sehr elegant. Womöglich wäre es in der Karibik auch nicht brauchbarer gewesen. Als Museum hat es den Kalten Krieg immerhin auf die ultimative Ästhetik gebracht. Am besten man einigt sich darauf, dass darin seine Funktion besteht. Noch bevor es Berlin erreichte, wir schreiben die frühen 1960er, sollte es nach Schweinfurt kommen. Mies war mit Georg Schäfer verschwägert, dem Kugellager-Fabrikanten und Kunstsammler, und sollte ihm ein Ausstellungsgebäude planen. Das Gestell war schnell bei der Hand. Das Museum, das heute den Namen Schäfers trägt, wurde im Jahr 2000 eröffnet, es stammt von Volker Staab, und steht an einer anderen Stelle der Stadt. Doch ergibt sich jetzt Gelegenheit, hier an Mies van der Rohe zu erinnern, an die Projekte, die er ersann, und an die Fotomontagen und Fotocollagen, mit denen er sie bevorzugt vor Augen stellte. Das Museum of Modern Art, das Mies' Archiv hortet, hat sich für den Moment von ihnen getrennt. Die Ausstellung ist eine Schau. Im Mittelpunkt steht das Medium. Noch zu Kaisers Zeiten hatte sich Mies an einem Wettbewerb für eines der damals obligatorischen Bismarck-Denkmäler beteiligt. Es scheint, als hätte ihn die Ausschreibung, die aufforderte, ein Foto der Szenerie, der Rhein in der Nähe von Bingen, mit dem eigenen Entwurf zu kombinieren, auf eine Idee gebracht. Mies wurde ein Meister der Montage. So sind seine Ansichten, unabhängig davon, was aus ihnen wurde, wunderbare Veduten von Sälen, Häusern, Setzungen in die Umgebung. Der Stahl-Glas-Durchsichtigkeit seines Entwerfens gemäß blickt Mies in diesen Darstellungen meistens von innen nach außen. Mit wenigen Strichen skizziert er den Purismus seiner legeren Pavillons. Zwischen die Zeichnung setzt er Aufnahmen, Fotos von Wald, Wiese, Stadtlandschaft, und suggeriert, es wären Fenster, die sie freigeben. Das Licht- und Luftdurchflutete seines Beitrags zur Weltausstellung in Barcelona 1929, seines Farnsworth Hauses, mancher seiner Villen wie jener für die Familie Tugendhat in Brünn: Es mutet an, als folgte es getreu der Logik dieser horizontalen Schichtungen aus Plane und Pleinair. Die Interferenz von Innen und Außen entsteht aus der Überlagerung von grafischem und Licht-Bild. Bisweilen bevölkert Mies seine Entwürfe mit Abbildungen von Kunstwerken, von Picassos „Guernica“ bis zu einer Miniatur von Paul Klee, die ihm selbst gehörte. Die Ausstellung legt es darauf an, zu den Abbildungen das Original zu fügen, also eben jenen Klee oder jene Skulptur von Wilhelm Lehmbruck zu präsentieren, die Mies per Foto eincollagierte. Das ist eine Ambition der Kuratoren. Zur Einsicht in die Architektur trägt es natürlich nichts bei. Ludwig Mies van der Rohe, Friedrichstrasse Skyscraper Project, 1921. New York, Museum of Modern Art (MoMA). © 2017. The Museum of Modern Art, New York / Scala, Florence / Bildrecht, Wien 2017 Die berühmteste all dieser Kopfgeburten ist zu sehen: Mies' Entwurf für ein Bürogebäude an der Friedrichstraße in Berlin, ersonnen im Jahr 1921. In perfektem Faible für die schlichte Lösung schloss Mies dabei die gerade erst im Entstehen begriffene, vom Expressionismus inaugurierte Theorie der Glasarchitektur kurz mit der Form des Grundstückes, nämlich dem Dreieck. Mies’ Vorschlag sah also vor, ein Prisma hinzustellen, die pure Glas-Stahl-Konstruktion, fragil, fortschrittsgläubig, in Material und Spektakelträchtigkeit von höchster Praktikabilität. Was Mies machte, musste Modell bleiben, doch die Nachkriegszeit namentlich jener Vereinigten Staaten, in die er 1938 emigriert war, wird sich dieser Vorschläge nach Kräften annehmen. Dass es dann vorbei ist mit dem Vorschein einer anderen Welt, ist der Preis. Utopien gehen zugrunde, wenn man sie realisiert. Sie taugen besser als Collagen. Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem Museum of Modern Art, New York Bis 28. Mai 2017 Museum Georg Schäfer
Mehr Texte von Rainer Metzger

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