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Chto Delat - On the Possibility of Light: The Darkness

Mit ihrer Ausstellung „ On the Possibility of Light” fragt das russische Künstlerkollektiv Chto Delat in der Berliner Galerie KOW nach dem politischen Status Quo in unserer so neoliberalen wie postfaktischen Ära. Beklemmend, intelligent und verstörend! So etwas wie ein Leuchtturm steht im Zwischengeschoss der Galerie KOW, stilistisch erinnert das rot-blaue Gerüst an die russischen Konstruktivisten, an Trash und Geisterbahn, aber auch an (warnende) Funkmasten lässt das fragile Gestell denken. Leuchttürme klären auf in dunklen Zeiten, so jedenfalls funktionierte dies einst, weisen Wege mit ihrem Licht und retten gar aus der Not. Als konkrete Metapher für Vernunft - „Es werde Licht“ hat J. W. v. Goethe bekanntlich auf seinem Sterbebett gehofft – könnte ein Leuchtturm daher hier im Kunstraum fungieren. Der Leuchtturm von Chto Delat aber hat den Glauben an solch’ Aufklärung offensichtlich verloren, steht da doch auf ihm geschrieben, Leonard Cohens letzte, quasi „Sterbebett“-LP zitierend: „You want it darker, we kill the flame“. Dass diese politisch gezielt hergestellte Dunkelheit heute dramatisch-leidvolle Konsequenzen hat, zeigt das 2003 in Petersburg gegründete Künstlerkollektiv dann mit einer um dem Turm herumgruppierten Figurengruppe, die Opfer politischen Widerstandes darstellen, getötet durch Wasserwerfer, Gewehrkugeln, Polizeiknüppel. „There must be some way out of here“, sang Bob Dylan noch in seinem Song „Watchtower“ in dem studentenbewegten Jahr 1968, doch diese Hoffnung auf rettende Auswege scheint Chto Delat (russisch für „Was ist zu tun“) fahrengelassen zu haben. So zeigt ihre gemeinsam mit der Organisation ARTIST AT RISK, die von Verfolgung betroffenen KünsterInnen hilft, konzipierte Filminstallation „ It Has Not Happened To Us Yet. Safe Haven“, 2016, das wenig erbauliche Schicksal von fünf Kulturschaffenden. Diese sind vor Krieg, Diktatur und Unterdrückung geflohen und haben dank eines Stipendiums auf einer dänischen Insel Zuflucht gefunden. Anfangs werden die zunächst erleichterten Lucky Five von den Inselbewohnern durchaus mit offenen Armen aufgenommen, doch im Laufe des 49minütigen Films, in dem die Ästhetiken dokumentarischer Sachlichkeit und expressiv-spielerischen Ausdrucks sich abwechseln, ändert sich dieses. Die „Stipendiaten“ müssen lernen die Hymne der Insel zu singen, werden kritisch beäugt, haben nützliche Arbeit zu vollbringen etc. - „Integration“ ist eben an strikte, wenig tolerante Bedingungen verknüpft. Resigniert hinterfragen die Flüchtlinge am Ende des Films selbst die Qualität der Option Flucht aber noch aus anderen Gründen: Wer überhaupt kann von dieser Option Gebrauch machen? Und: Ändert sie irgendetwas an politischen Zuständen? Einen Raum weiter dann zeigt Chto Delat u.a. die wandfüllende Installation „Performative Practices Of Our Time“, 2017, die aus Fotos besteht, die das Kollektiv aus dem Internet gesammelt hat. Zu sehen sind da vor allem Posen, Gesten und Rituale, mit denen sich russische Bürger in Netz selbst darstellen und dabei ihre nationalistische Identität im autoritären Staat Putins abfeiern: Das Spektrum reicht vom Hitlergruß bis zum despektierlichen Nutzen der US-amerikanischen Flagge als Fußabtreter. Die Internalisierung politischer Dummheit also steht hier in alltäglichen Performances zur Disposition und offensichtlich ist der Prozess der Aufklärung da in eklatanter Weise an sein postfaktisches Ende gekommen. „I can’t get no relief“ heißt es dann doch auch in Dylans „Watchtower“. Die Unmöglichkeit der Rettung zu Zeiten, in denen der Rechtspopulismus immer mächtiger wird, die Globalisierung sich stetig asozialer entwickelt und die Klimakatastrophe schneller als prognostiziert das Leben auf „unserem“ Globus unmöglich macht, zeigt sich in „On the possibility of light” auch darin, dass Chto Delat in dieser überaus wichtigen Ausstellung auf die Frage „Was ist zu tun?“ keine Antwort geben, überhaupt keine.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Chto Delat - On the Possibility of Light
18.02 - 09.04.2017

KOW
10785 Berlin, Kurfürstenstraße 145 Eigang Frobenstraße
Tel: +49 30 311 66 770
Email: gallery@kow-berlin.com
http://kow-berlin.com
Öffnungszeiten: Mi - So 12-18h


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