Literatur-Nobelpreis
Der erste Träger des Nobelpreises für Literatur, der deutsch schrieb, war eher ein Quereinsteiger. Theodor Mommsen erhielt ihn 1902 für seine „Römische Geschichte“, die zwar ein Epos darstellte, aber durchaus kein fiktives. Mit seine Materie wunderbar querdenkerisch auf den Punkt bringenden Sätzen wie „Es waren weniger andere Menschen, die jetzt im Senat saßen, als eine andere Zeit“, hatte er ihn sich auch verdient.
Wenn es denn etwas zu verdienen gibt beim Nobelpreis. Unsereiner kann ja nur bei den Laureaten zu Literatur und Frieden ein wenig mitreden, und das gibt oftmals schwer zu denken. Barack Obama als Taube oder Dario Fo (Gott hab ihn selig) als Lerche lässt einen doch an der noblen Ornithologie zweifeln. Womöglich sieht es bei den Medizinern, den Physikern und was sonst noch ausgezeichnet wird, nicht anders aus. Was bleibt sind Namen, und auch die halten nicht lange. Der zweite Preisträger deutscher Sprache war 1908 der auch nicht sonderlich literaturaffine Philosoph Rudolf Eucken. Erst der dritte 1910 konnte als Schriftsteller durchgehen, Paul Heyse, damals als „Goethes Stellvertreter auf Erden“ bespöttelt, in der Gegenwart Pate einer schaurigen Straßenunterführung in München. Mehr ist nicht. Bis heute ist der Preis so etwas wie die Zuteilung von Posthumität zu Lebzeiten.
Jetzt also Dylan. Robert Zimmermann, der sich sein Pseudonym immerhin nach Dylan Thomas und also von einem mit allen Wassern und Feuerwassern gewaschenen Dichter entlehnt hat. Sicher hat es noch nie einen Nobelpreisträger gegeben, dessen Werk so viele Menschen kannten, womöglich sogar auswendig. Noch nie einen, der so oft in Kollegenmund und -herz getragen worden ist. Noch nie einen, der sich so unmittelbar schadlos halten konnte, wenn der Betrieb es allzu bunt trieb mit den Anverwandlungen seiner Arbeiten, vulgo: mit dem Abschreiben, Zitieren, Klauen („4th Time Around“ etwa zählt den Beatles grimmig ihr 1964/65 ins Werk gesetztes Quartett an allzu folkig geratenen Stücken vor). Noch keinen, der nicht von Pop kontaminiert ist, sondern nichts anderes als Pop ist.
N. Elmehed. © Nobel Media 2016
Alle liefern sie jetzt ihre Playlist an besonders lyrisch und literarisch geratenen Liedern. Hier ist meine: „Subterranean Homesick Blues“, „Sad-Eyed Lady of the Lowlands“, „Sara“, „Idiot Wind“, „All Along the Watchtower“. Bei ersterem Lied versucht sich „medicine“ auf „government“zu reimen. Das geht nur schräg gesungen. Auch His Bobness ist ein Quereinsteiger, und zum Historiker und Philosophen gesellt sich eben eine Frühform von HipHopper. Dylan war es, der derlei schräge Silben dazu gebracht hat, ähnlich zu klingen. Der Rap darf es ihm danken. Allein deswegen, könnte man sagen, ist der Preis verdient.
Für die Leserschar des artmagazine hier noch die erste Strophe eines Liedes, das im einschlägigen Bereich spielt. Hier nämlich ist der Meister ebenfalls zuhause, wenn auch diesmal ein wenig konventionell:
Oh, the streets of Rome are filled with rubble
Ancient footprints are everywhere
You can almost think that you're seein' double
On a cold, dark night on the Spanish stairs
Got to hurry on back to my hotel room
Where I've got me a date with Botticelli's niece
She promised that she'd be right there with me
When I paint my masterpiece