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Kraftflächen - Wiener Plakatkunst um 1900: Blendwerk der Straße

Sie ist aus der modernen Großstadt nicht mehr wegzudenken: die Plakatwerbung. Zu dem einen Zweck geschaffen, nichts als die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu ziehen, nervt allerdings das meiste durch Geschmacklosigkeit und Trivialität. In selteneren Fällen ist Plakatwerbung auch ästhetisch zufriedenstellend, doch dann handelt es oft auch nicht um Werbung im klassischen Sinn, sondern um ein Kunstprojekt des Wiener museum in progress. Dass dies einmal ganz anders war, zeigt die Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien mit Wiener Plakatkunst der Zeit um 1900. Damals war das Medium noch relativ jung: In den 1870ern hatte ein gewisser Jules Chéret in Paris damit begonnen, Plakatwerbung mit farbigen Bildsujets zu gestalten. Seitdem ab 1892 Henri de Toulouse-Lautrecs Arbeiten als Farblithographien in Druck gingen, nahmen sich auch andere Künstler der Plakatgestaltung an. In Wien wurde Produktwerbung via bedrucktem Affiche bedingt durch die nach dem Börsenkrach von 1873 anhaltende Wirtschaftsflaute erst ab etwa 1895 interessant. Mit der Gründung der Wiener Secession erhielt das nun auch hierzulande in Gebrauch kommende Medium 1897 Rückenwind durch die um perfekte corporate identity bemühte Künstlertruppe um Gustav Klimt, der höchstselbst das Plakat zur ersten Ausstellung gestaltete: Unter den schützenden Augen von Pallas Athene wird Minotaurus von Theseus bekämpft, dessen Blöße auch gleich für den ersten Skandal sorgte. Klimt musste die ohnehin dezent dargebotene Männlichkeit mit einem stilisierten Baumstamm verhüllen. In der Ausstellung sind beide Zustände des Plakats zu sehen und darüber hinaus etwa dreißig weitere zu Secessions-Ausstellungen, darunter alle berühmten wie die von Ferdinand Hodler (1904) oder Egon Schiele (1918) gestalteten. Fast mehr noch freut man sich über die weniger bekannten Stücke wie Oskar Kokoschkas Plakatentwurf zum Kaiser Jubiläums-Huldigungsfestzug von 1908. Spannend ist auch der Vergleich mit Plakaten des Hagenbundes und der Ausblick in die Produktwerbung eigens ausgebildeter Graphikdesigner. Das Historische Museum hat wirklich eine grandiose Sammlung. Schön, dass diese Schätze auch zu sehen sind.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Kraftflächen - Wiener Plakatkunst um 1900
10.07 - 21.09.2003

Wien Museum
1040 Wien, Karlsplatz
Tel: +43 1 5058747-0, Fax: +43 1 5058747-7201
http://www.wienmuseum.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 09-18, Sa, So 10-18 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
kontextualität
werner j. schweiger | 15.07.2003 11:26 | antworten
Im letzten Heft der Zeitschrift „preview“ ist ein höchst interessantes Interview mit dem neuen Direktor des Museums, Dr. Wolfgang Kos, abgedruckt. Darin ist viel von „Kontextualiät, Kontextualisierung, Kontextdramaturgie“ die Rede. Zitat: „Für mich bedeutet sie, einem Thema zu einer Vieldimensionalität zu verhelfen. Sie macht eine Story erzählbaren und für den Besucher nachvollziehbarer.“ Für den vorzüglich ausgestattetem und gedrucktem Katalog zur soeben eröffnete Ausstellung „Kraftflächen. Wiener Plakatkunst um 1900“ gilt das wohl nur am Rande. Die bekannten (und mit zahlreicher Literatur belegbaren) Plakate der Secession, des Hagenbundes, der Kunstschau, des Cabaret Fledermaus werden mit kurzen Texten begleitet, zahlreiche andere Plakate sind ohne jede „Kontextualität“ abgebildet und damit als Artefakte in einen geschichtslosen Raum gestellt. Dabei wäre gerade hier die Kontextualität eminent wichtig, da ein Teil der Wiener Kunst- und Kulturgeschichte. An einigen Beispielen möge das veranschaulicht werden: Kat. Nr. 29 Plakat von Grete Wolf (sie ist 1971 in Jerusalem gestorben) für eine Ausstellung der jungen Künstler Österreichs in der Secession ist der erste Versuch der Künstlervereinigung, nach dem Austritt der Klimt-Gruppe (1905) eine Öffnung gegenüber jungen Nicht-Mitgliedern. Kat. Nr. 41 ist ein äusserst interessanter Beleg für die Geschichte des Wiener Kunsthandels (Kunstsalon Eugen Artin) und ein sehr frühes Beispiel, auch zeitgenössische Deutsche Künstler in Wien zu zeigen. Kat. Nr. 42 verweist mit der Ausstellung „Die Jungen“ in der Galerie Miethke auf die bedeutendste Wiener Kunsthandlung der Wiener Jahrhundertwende und deren Einsatz für noch unbekannte und aufstrebende Künstler. Im Zentrum des Plakates stehen die 15 Monogramme der ausstellenden Mitglieder. Kat. Nr. 46 ist das rare Dokument der bedeutendsten Künstlervereinigung nach dem 1. Weltkrieg und deren erste Ausstellung. Das Plakat (signiert F.S.) ist von Franz Skala (1892 Wien - 1975 Hainburg). Kat. Nr. 56 bewirbt ein Konzert des „Ansorge-Verein“ und hier würde man gerne etwas über diese wichtige, 1903 gegründete Vereinigung für Literatur und Musik erfahren. Kat. Nr. 58 ist von dem 1890 in Wien geborenen Franz Süsser. Kat. Nr. 59 verweist mit der „Hölle“ auf die so vielfältige Wiener Cabaret- und Varietészene der Zeit. Kat. Nr. 63 ist zwar das Plakat für den Loos-Vortrag, aber definitiv nicht von Adolf Loos! Kat. Nr. 65 ist keinesfalls aus dem Jahre 1915. Der Druckvermerk „Secession Graph. Kunstanst.“ weist auf eine Entstehungszeit nach 1919 hin, da es die Druckerei davor nicht unter diesem Namen gegeben hat. Diese Tatsache weist auf einen weiteren, gravierenden Kontextualitätsmangel des Kataloges hin: Man erfährt nichts über die Plakatdrucker und vor allem nichts über Albert Berger. Der Grossteil der ausgestellten Plakate wurde nicht nur von Albert Berger gedruckt, sondern stammt auch aus seiner Sammlung, die nach seinem Tod in das Historische Museum der Stadt Wien kamen. Albert Berger (1863-1931) gründete 1887 die für die moderne Lithographie um und nach 1900 bedeutendste Druckerei in Wien, war der "Hausdrucker" der Secession, druckte beispielsweise die lithographierten Beilagen der Zeitschrift "Ver Sacrum" und bis zum Austritt der Klimt-Gruppe 1905 sämtliche Plakate dieser Künstlervereinigung und in der Folge auch die Plakate für die beiden Kunstschauen 1908 und 1909. Berger arbeitete auch mit der Wiener Werkstätte eng zusammen, druckte ab 1907 den Großteil der Postkarten, die Plakate für das Cabaret Fledermaus und 1908 Oskar Kokoschkas Buch "Die träumenden Knaben". Es ist bekannt, dass diese Plakatausstellung wegen Absage einer geplanten Schau unter Terminnot in sehr kurzer Zeit realisiert werden musste. Nahezu alle oben mitgeteilten oder angerissenen Informationen sind aber in der gedruckten Literatur bekannt und nachzulesen, womit sich eine Erklärung wegen Zeitmangel erübrigen dürfte. Werner j. Schweiger www.kunstarchiv.at

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