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Renate Bertlmann - Amo ergo sum: Macht, Symbole und Verwandlung

Im Rahmen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der feministischen Avantgarde der 70er Jahre zeigt die Sammlung Verbund derzeit in ihrer Vertikalen Galerie Arbeiten der österreichischen Künstlerin Renate Bertlmann. Eine umfassende Dokumentation des künstlerischen Kosmos der 1943 geborenen Künstlerin liefert vor allem die profunde Monografie, die der Verbund unter der Federführung der Sammlungsleiterin Gabriele Schor herausgab. Bertlmanns Zugang zur Bildenden Kunst fußt zum Teil auf literarischen Inspiration wie auf Virigina Woolfs Buch, „A Room of One`s Own“. Dabei wird u.a. die Frage nach weiblicher künstlerischer Autorenschaft in einer patriarchalen Welt gestellt. Auch Gedanken über die gesellschaftlichen Erwartungen an die junge Frau, die „unerhörter Weise“ Kunst studierte, beschäftigten Bertlmann und ließen sie nach alternativen Gesellschaftsmodellen suchen. Unter anderem hat die Künstlerin Matriarchatsentwürfe studiert wie sie in dem Werk von Sir Galahad (Synonym für Bertha Eckstein Diener) „Mütter und Amazonen-Liebe und Macht im Frauenreich“ von 1932 zu finden sind. Bertlmann hat aber vor allem Sigmund Freud gelesen und auch die kämpferischen Schriften gegen seine Thesen, die Feministinnen weltweit publizierten. Bertlmann entwickelt schon sehr früh eine lustvolle Beschäftigung mit den unterschiedlichen Abbildern von Phalli, die sie in unterschiedlichen Positionen und Situationen zeichnete und arrangierte. Besonders treffend und wahrscheinlich auch für viele Betrachter verstörend ist die Darstellung eines erigierten Penis als Art geheiligtes Reliquiar. Das männliche Stück ist von Glasperlen und Goldfäden umrankt und wie ein volkstümliches Votivbild gestaltet. Ausgehend von dem feministischen Schluss der Freud`schen Schriften, dass das Phallische, unsichtbar aber in seiner Dominanz ständig präsent, nur durch weibliche Aneignung entmacht werden kann, machte sich Bertlmann obsessiv auf, das Unsichtbare darzustellen. Sie zeichnete, arbeitete mit Latex und schuf kleine Objekte wie blumenähnliche Skulpturen mit Peniskörper und bezeichnete sie als „Fleur du Mal“, 1981. Besonders an Freud angelehnt und als ironisch, sprichwörtlich interpretiert kann man die Installation „14-Linge“ verstehen. Dabei steckte Bertlmann vierzehn etwa einen halben Meter große Latexpenisse in weiße Leinenkleidchen und legte sie in eine Art große Säuglingswanne. In eeiner dazugehörigen Fotoserie „herzt und liebkost“ sie einzelne der „Säuglinge“. Diese Installation und ihre künstlerische Praxis nehmen auf eine Interpretation von Sigmund Freud Bezug, wonach die Frau den in der Psychoanalyse konstatierten Penisneid nur durch die Geburt von Buben kompensieren könnte. Bertlmann nimmt diesen Gedanken bildmächtig auf und wiegt sozusagen ihre „eigenen Penisse“ hin und her. Stellt die Darstellung von Phalli in Bertlmanns Werk eine Art aggressive, lust- und humorvolle Aneignung von männlicher Macht dar, so gibt es Performances von ihr als Braut, die eher das auswegslose Unglück einer Mutterschaft thematisieren. 1978 fand die Performance schwangere Braut im Rollstuhl in der Modern Art Galerie in Wien statt. Bertlmann wurde in einem Rollstuhl in ihrem eigenen Brautkleid mit einer Latexmaske deren Augen, Mund und Nase mit Schnuller gestaltet waren, von einer Person vor das Publikum geschoben. Wurde das Schieben eingestellt begann eine Babystimme zu greinen und Bertlmann „gebar“ schließlich einen Mullbindenhaufen der mit einer künstlichen Latex- Nabelschnur verbunden war. Nach der Geburt stand Sie auf, verließ das Zimmer und ließ die schreiende Babystimme zurück. Damit hatte Bertlmann sehr drastisch die Entwürdigung dargestellt, die es für die meisten Frauen 1978 noch bedeutete, wenn Sie Brauttum und Mutterschaft annahmen. Das Thema der Versagung, der Entwürdigung spielt in unterschiedlichen Arbeiten von Bertlmann eine Rolle und auch die Form der devotionalistischen, kitschigen Verbrämung die sich aus einem Volksglauben ableiten lässt, ist ein Charakteristikum ihrer Arbeit. Die Publikation ist ein wertvoller Beitrag zu einer österreichische Künstlerin, die aktiv die Zeit des „weiblichen Erwachens“ der 70er Jahre gestaltete. Gemeinsam mit nationalen wie internationalen Vertreterinnen der feministischen Avantgarde wird sie im Mai 2017 in der gleichnamigen Ausstellung im mumok zu sehen sein.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Renate Bertlmann - Amo ergo sum
25.02 - 13.07.2016

Vertikale Galerie in der Verbund-Zentrale
1010 Wien, Am Hof 6a
Tel: +43 5 03130
Email: sammlung@verbund.com
http://www.verbund.com/sammlung
Öffnungszeiten: Die Ausstellung ist jeden Mittwoch um 18:30 Uhr und jeden Freitag um 16:00 Uhr im Rahmen eines kostenlosen Rundgangs gegen Voranmeldung zu besichtigen (ausgenommen Feiertage). Anmeldung unter sammlung@verbund.com oder +43 50 313-500 44.


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