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CCC # 4 Mankind / Machinekind: Digitaltransporter

Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran und umfasst alle Lebensbereiche. Nur bei den KunstsammlerInen scheint digitale und Medienkunst noch nicht wirklich angekommen zu sein. Die Krinzinger Projekte präsentieren Beispiele von Pionieren des Sammelns digitaler Kunstwerke. In der vierten und letzten Ausstellung der Serie CCC (Curators Collectors Collaborations) geht es also um das Sammeln von digitaler Kunst. Die Bandbreite der aus den Sammlungen von Hampus Lindwall und Alain Servais, mit Beiträgen von Robert Bielecki und Li Zhen zusammengestellten Werke könnte demnach größer nicht sein. Allen gemeinsam ist die Nutzung digitaler Codes bzw. der Bezug auf die zunehmende Digitalisierung unserer Welt, ihre Repräsentation im Ausstellungsraum bzw. den einzelnen Sammlungen reicht jedoch vom klassischen, manifesten Werk über den Monitor bis zur ephemeren, weil ausschließlich online verfügbaren Website. Mehrere Stufen der Digitalisierung durchläuft das Werk von Taylor Holland, der Bilderrahmen aus dem Louvre fotografiert, digitalisiert und einzelne Elemente daraus zu neuen Bildern zusammensetzt, die anschließend im handwerklichen Prozess aus Holz und Füllmaterial real umgesetzt werden. Das Ergebnis sind manifeste Repräsentationen dessen, was den als allgemeines Kulturgut angesehenen Bildern im Museum Halt und Rahmen gibt, meist jedoch nur peripher wahrgenommen wird. Bei aller Digitaliserung stehen hier also noch klassische Bildwerke am Ende des Prozesses. Jon Rafman thematisiert die zunehmende Überwachung aber auch die Möglichkeiten einer neuen „Street Photography“ die durch den Einsatz der Aufnahmewägen von Google Street View entstanden sind. Die automatisierte Dokumentation alltäglicher Straßenszenen ergibt mitunter ein surreales Panoptikum menschlichen Daseins, das allein schon in der Fülle der unermüdlichen Aufzeichnungen wieder in Bedeutungslosigkeit versinkt, wäre da eben nicht der kuratorische Akt des Künstlers, der diese Szenen als Fotoprints in die Ausstellung bringt. Während vor allem auf Kunstmessen noch die Möglichkeiten und Limitierungen des Sammelns von Künstlervideos diskutiert werden, ermöglicht die technische Entwicklung längst die live-Generierung immer neuer Bildwelten. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit des in Irland geborenen John Gerrard. Langsam gleitet die Kamera über das Gelände einer großen Farm, ein See und mehrere Stallungen werden sichtbar. Während die Kamerafahrt, die im Computer live gerendert, also in Realzeit immer wieder neu berechnet wird, erzählt der Begleittext von einer vollautomatisierten Schweinefarm. Das reale Vorbild dazu befindet sich in Oklahoma, USA. Die industrielle Großproduktion benötigt kaum noch menschliche Eingriffe, kaum etwas verändert sich außerhalb der Gebäude in denen die nie sichtbaren Schweine bis zur Schlachtreife herangezogen werden. Lediglich alle sechs bis acht Monate taucht ein Truck auf, der jeweils eine Stunde an der Laderampe jedes Stalls stehen bleibt und danach wieder abfährt – ein Rhythmus, der ungefähr auch jenem der Aufzucht der Schweine entspricht. Gerrards Arbeit, die bei großen Ausstellungen auf Leinwand projiziert werden kann, ist für Sammler auch in einer Edition für Computerbildschirm in einer weißen, vom Künstler selbst gefertigten Box verfügbar. Etwas schwieriger, eine ausstellungsadäquate Repräsentation digitaler Kunst zu finden, wird es bei der Internet-Kunst, wie sie in der Ausstellung vom Künstlerduo JODI (Joan Heemskerk & Dirk Paesmans) oder Rafael Rozendaal (übrigens nicht online, sondern als Loop-Animation) zu sehen sind. „Für uns war das damals eine tolle Möglichkeit. Plötzlich waren wir nicht mehr auf Ausstellungsräume beschränkt sondern hatten ein weltweites Publikum“, beschreibt Dirk Paesmans die Aufbruchsituation in den frühen 90er Jahren. Das Internet bot aber nicht nur eine Ausweitung des Publikums, sondern vor allem die Möglichkeit der direkten Intervention, die im aktuellen Anstieg der Überwachung und Aufzeichnung von Userdaten wohl auch immer bedeutender wird. Seit Jahren arbeiten UBERMORGEN (lizvlx und Hans Bernhard) als Dokumentaristen und Hacktivisten an gesellschaftlich relevanten Themen wie der Abschiebung von Asylsuchenden, dem Stimmenkauf bei Wahlen und sie infiltrierten auch den online Shop von Amazon mit automatisch generierten E-Books in denen zufällig gesammelte Kommentare von Youtube-Usern zu lesen waren. In der Ausstellung sind UBERMORGEN (die im Jahr 2015 mit dem Medienkunstpreis der Stadt Wien ausgezeichnet wurden) mit ihrem „Oldify“ Projekt vertreten, das leider nur wenig über die subversive Kraft ihrer (Online)Projekte auszusagen vermag. Einer der Sammler-Pioniere von ausschließlich online verfügbaren Kunstwerken ist der 1976 geborene Organist Hampus Lindwall. Als „Digital Native“ gibt es für ihn keine Bedenken bezüglich der „Haltbarkeit“ digitaler Kunstwerke. Vielmehr kauft er von KünstlerInnen programmierte Websites und verpflichtet sich mit dem Kauf gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Site weiter online verfügbar ist, mit allen dazugehörigen Kosten für Webspace und Programmierarbeiten. „Es geht mir nicht um das Material. sondern um die Qualität eines Kunstwerkes“, sagt Lindwall zu seinem Sammelgebiet. „Wenn mir eine Website gefällt, dann möchte ich mich auch darum kümmern, dass sie weiter online ist und sie für die Öffentlichkeit bewahren.“ Ein Statement, das die übliche Entwicklung von KunstsammlerInnen – von der ersten angekauften Arbeit bis zum millionenteuren Sammlermuseum – auf den Kopf stellt. Während sich bei vielen SammlerInnen der Wunsch nach einer öffentlichen Präsentation erst nach vielen Jahren entwickelt, ist Lindwalls Netzkunst-Sammlung schon alleine medienimmanent für alle Interessierten abrufbar. Ob dieses Beispiel mehr Kunstkäufer animieren kann, sich für online-basierte Kunstwerke zu begeistern wird die Zukunft zeigen, eine lohnens- und sehenswerte Einführung in digitale Kunstwelten ist die Ausstellung auf jeden Fall.
Mehr Texte von Werner Rodlauer

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CCC # 4 Mankind / Machinekind
05.11.2015 - 06.02.2016

Krinzinger Schottenfeld
1070 Wien, Schottenfeldgasse 45
Tel: +43 1 512 81 42
Email: schottenfeld@galerie-krinzinger.at
https://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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