Werbung
,

Am Nabel der Welt

"Am Nabel der Welt", so betitelt Isabelle Graw eines ihrer Kapitel, in dem sie die Auswirkungen von kunstbetrieblichen Machtpolen wie die New York/Köln Achse auf die Kunstproduktion analysiert. Vehement weist Graw darauf hin, dass die von ihr ausgewählten KünstlerInnen wie Agnes Martin, Eva Hesse, Isa Genzken, Rosemarie Trockel trotz vergleichbarer Ausgangssituationen immer differenziert behandelt und nicht durch ein spezielles feministisches Rezeptionsmuster gefiltert werden. Den Schwerpunkt ihrer Recherchen bezieht Isabelle Graw als Kind ihrer Zeit auf die achtziger Jahre, indem sie jene entscheidende Wende festhält, die durch die Appropriation Art ausgelöst wurde und deren Dialektik zwischen aneignender und abgrenzender Wirkung schwingt. Dabei werden Praktiken von KünstlerInnen wie Sherrie Levine, Cindy Sherman, Andrea Fraser, Cosima von Bonin und Renée Green gesondert behandelt. Zunehmend folgt Isabelle Graw der von T. J. Clark eingeführten sozialgeschichtlichen Methode, bei der formal-ästhetische Präferenzen stets mit Milieustudien in Verbindung gebracht werden. Die Bedeutung, die Isabelle Graw unter Mitreflexion von Pierre Bourdieus Thesen dem Kapital des Kunstbetriebs als Resonanzraum für die künstlerische Produktion beimisst, streift auch aktuelle Debatten zu Fragen der Allerweltskunst. Zugleich lenkt sie unter Einfluss der Gender Studies von Judith Butler die Aufmerksamkeit darauf, wie die geschlechterpolitische Dimension von Kunst sich auf die Produktivität auswirkt. So ist im Fall von Renée Green der Zugriff auf kunsthistorisch sanktioniertes Material strategisch motiviert und wird durch einen exzessiven Gebrauch von Querverweisen forciert. Wohingegen die legendären V-Girls stets das Potential an Inszenierung ausschöpfen. Das Ende der Ausnahmefrau spielt Isabelle Graw am Beispiel der Brit Art der neunziger Jahre durch, die ökonomisch erfolgreiche Künstlerinnen wie Sarah Lucas und Tracey Emin hervorbrachte. Das Ende der Ausnahmefrau ist für Isabelle Graw an die Wiederkehr des authentischen und außergewöhnlichen Subjekts geknüpft, das durch eine selbstbestimmte Sexualität und einen bohemienartig exzessiven Outlaw-Habitus eine offensive Weiblichkeit auslebt. Isabelle Graw, Die bessere Hälfte, Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts, Dumont 2003, ISBN 3-8321-5961-4, Euro 24,90 www.DumontLiteraturundkunst.de
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: