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Pygmalions Werkstatt. Die Erschaffung des Menschen im Atelier von der Renaissance bis zum Surrealismus: Der Künstler als gelehrig-gelehrter Kanoniker

Von den ausgewählten Modellen, die Edouard Manet als buchstäbliche soziale Plastiken dienten, anhand deren er Rollenverhalten und Verkleidungsspiele, Geschlechterzuteilungen und Gender-Konstrukte vorführte, haben zumindest zwei das Metier gewechselt. Victorine Meurent, das flexibelste, und Berthe Morisot, das bestaussehende Modell, haben sich als Malerinnen versucht, und während jene völlig scheiterte, hat diese einen guten Platz in der Historie der Kunst und noch mehr des Feminismus sicher. Hat Manet, so läßt sich nun anhand der beiden Biografien fragen, zu einer Emanzipationsgeschichte beigetragen, oder hat er den armen Geschöpfen einfach auferlegt, nach seiner Fasson zu funktionieren? Sind die Mademoiselles Meurent und Morisot nichts anderes als \"My Fair Ladys\", Bildermädchen mithin, wie sie George Bernard Shaws \"Pygmalion\" schildert? Pygmalion ist jener sagenhafte Bildhauer aus Ovids \"Metamorphosen\", der sich in eine seiner Statuetten verliebt und von Venus die Gnade erwiesen bekommt, das blutleere Geschöpf mit Leben zu beseelen. Shaw hat sich die antike Mythenwelt gut angesehen und in Gestalt von Professor Higgins einen neuen Menschenbildner daraus stilisiert, bei dem Pädagogik und Bricolage perfekt zusammenpassen. Wir erwähnen das alles, weil es in der Ausstellung, die \"Pygmalions Atelier\" gewidmet ist, nicht vorkommt. Es kommt auch Frankenstein nicht vor, wie überhaupt alles Monströse, vulgo: Interessante, ausgeschlossen bleibt. Statt dessen wird der Künstler als gelehrig-gelehrter Kanoniker vorgestellt, in dessen Atelier die Vorbilder nachbuchstabiert und in allem Hang zum goldenen Mittelmaß zu neuer Statuettenhaftigkeit zusammengefügt werden. Die Erschaffung des Menschen, wie es das Lenbachhaus zeigt und damit ein emphatisches Thema verschenkt, ist Kopieren nach antiken Statuen, ist Abkonterfeien von Anatomie-Atlanten oder Hantieren mit Gliederpuppen. Das Atelier ist ein Juste Milieu und die Werkstatt ein Hort des offenbar ausschließlich ehrsamen Handwerks. All die Ungereimtheiten, die Personalunionen etwa von Modell und Hure oder von Künstler und Sektierer, haben in dieser Kunstgeschichte von orthodoxestem Mainstream keinen Platz. Der Künstler ist hier nichts als ein Langweiler.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Pygmalions Werkstatt. Die Erschaffung des Menschen im Atelier von der Renaissance bis zum Surrealismus
12.09 - 25.11.2001

Lenbachhaus Kunstbau
80333 München, U-Bahnhof Königsplatz
Tel: +49 89 233 969 33
Email: lenbachhaus@muenchen.de
http://www.lenbachhaus.de
Öffnungszeiten: Di - So 10 - 18 h, Do 10 - 20 h


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