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Der Salieri und seine Saliera

Bisweilen tat der Mann so, als wäre er schon Minister. "...war ich bemüht, in Wien eine Institution zu finden, die eine entsprechende Ausstellung vorbereiten würde, wie etwa das Architekturzentrum im Museumsquartier, doch blieb ich diesbezüglich erfolglos." So etwas muss Dietmar Steiner, der mit seinem AzW überhaupt nicht erfolglose Arbeit leistet, in einem Katalog des Kunsthistorischen Museums lesen. Wilfried Seipel, dem Generaldirektor des KHM, gefiel es, an Santiago Calatrava Gefallen zu finden. Über Geschmack kann man ja streiten und über die Kompetenz von Ägyptologen in Sachen Gegenwartsarchitektur auch. Jedenfalls wollte Seipel eine Ausstellung über den Spanier mit dem Flügel-Faible, und in alter obrigkeitlicher Manier, als sei sein Gutdünken überall gefragt, beschloss er, sie einem mit ihm weder verwandten noch verschwägerten Institut anzudienen. Dass das AzW nein sagte, gehört zur demokratischen Gepflogenheit. Das KHM musste die Schau, mit Vogelgezwitscher und Modelleisenbahner-Charme, selbst veranstalten. Wenigstens im Vorwort des Begleitbandes hielt Seipel sich in oben zitiertem Jargon dann schadlos. Ausgerechnet dieser Chuzpe begegneten jetzt kriminelle Elemente mit einer eigenen. Die Saliera wurde gestohlen. Benvenuto Cellinis Prunkstück, das, liebe Kollegen, Salz- und Pfefferfass, das für den französischen König Francois Premier in Gold getrieben wurde, das auf Rollen läuft und damit einen zivilisatorischen Einschnitt markiert, weil es einerseits für alle am Tisch und zugleich auch allein für denjenigen, der es gerade in Gebrauch hatte, funktionierte, jene Vorzeigearbeit eines von Missgunst und Misstrauen gegen die Kollegen verzehrten Prachtexemplars an Unsympathen, ausgerechnet diese Sonderausfertigung eines Konkurrenzverhältnisses setzte den schlichtesten aller kommunikativen Mechanismen in Gang: "Ich will das haben", dachte es in irgendeinem seinerseits von Ehrgeiz und Besitzgier getriebenen Widerling. Die Umsetzung eines solchen Gedankens in Realität war offenbar nur noch ein Kinderspiel. Wäre die Kunstkammer des KHM nicht jahrelang geschlossen gewesen, hätte die Saliera nichts zu suchen gehabt unter den Raffaels und Frühmanieristen im ersten Stock. Und würde das Areal der Kunstkammer im Moment nicht für eine Sonderausstellung missbraucht, könnte die Saliera längst wieder sein, wo sie hingehört. So wurde das Objekt aus einem Raum heraus gestohlen, wo es von Anfang an nichts verloren hatte. Seipel ist, was Höflingsmentalität und Ambitionen angeht, eine Art Salieri der Gegenwart. Nun hat er seine Saliera. Erst am Wochenende durften wir in der "Presse", versehen mit größerem Foto des Autors und um so kleinerem Hinweis "bezahlte Anzeige", lesen, was Seipel so alles darf und kann und will. Dabei hat er, der so partiarchalisch tut, dass er glaubt, einen unabhängigen Kollegen schelten zu müssen, gerade die fundamentalste Pflicht verletzt. Das Erbe, das ihm übertragen wurde, war bei ihm in schlechter Obhut. Drei Aufseher hat man nach Bekanntwerden des Diebstahls sogleich suspendiert. Man sollte noch einen Aufseher im KHM suspendieren. Den obersten Aufseher.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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