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Schwarz sehen

\"Aber wenn sich Politikerinnen für die TV-Veröffentlichung am Opernball freiwillig so anziehen, wenn Politiker ihre Begleiterinnen freiwillig so anziehen lassen, wie sie alle angezogen waren ? ich meine, was wollen wir mit denen über Kultur reden?\" Das öffentliche Erscheinungsbild der Herr- und Frauschaften von der Classe Politica ist, so hat es Manfred Lang an dieser Stelle vor einer Woche zu erkennen gegeben, indiskutabel. Wie aber steht es um seine, meine, unsere eigene Klientel? Sieht man da nicht genauso schwarz ? und das auch noch buchstäblich? Die Jeunesse doree und das schneeweiße Haar: Sobald sie der Kunstbetrieb erfaßt, sind sie getaucht in die dunkelste Höllennacht der Finsternis. Fühlen sie sich allesamt als ? Adorno: \"Kunst verklagt die überflüssige Armut durch die freiwillige eigene\" ? Weltverbesserer? Haben sie allesamt Angst, sich falsch zu kleiden, und hüllen sich deswegen in die Couleur des geringsten Widerstandes? Oder kommen sie sich allesamt als Gralshüter der Askese vor und erlegen sich selbst explizit und allen anderen implizit eine Art von Luxusregel auf, gerade wie weiland die Calvinisten in der künstlerisch von jeher gottbegnadeten Schweiz? Wenn sich Juliette Greco auf Vernissage stylt und Albert Camus zum Abendessen weilt, dann darf man mit dem Kollegen Lang fragen: Was sollen wir mit denen über Kultur reden? Mit Leuten, die entweder das Ästhetische mit dem Moralischen verwechseln? Oder die keinen Geschmack haben und sich davor fürchten, dabei ertappt zu werden? Oder mit Leuten, die glauben, der beste Geschmack wäre sowieso, keinen zu haben? Immerhin haben wir eine Erklärung für die Dominanz der Nichtfarbe: \"Es scheint übrigens eine allgemein Eigenschaft des Schwarz zu sein\", schrieb Max Raphael vor einem halben Jahrhundert, \"daß es sich für Falten und Bewegung nicht eignet und große glatten Flächen bevorzugt\". Schwarz wehrt sich gegen Falten und liebt das Glatte. Schwarz also hält jung, und Berufsjugendlichkeit war immer schon eine Domäne des Kunstbetriebs. Und das ist allemal wichtiger als sich unterhalten. Dann führen wir eben weiter Selbstgespräche.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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