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Baden gegangen

Wieso sieht \"Lebt und arbeitet in Wien\", die aktuelle Schau der Kunsthalle, aus wie die Manifesta letztes Jahr in Ljubljana? Oder wie die Berlin-Biennale von 1998? Weil den Künstlern nichts einfällt? Weil sie längst baden gegangen sind im steten Fluß der Globalisierung? Kuratoren hat man herangekarrt, aus New York, Barcelona und Helsinki, um das Eigene anreichern zu lassen vom Fremden. Sie haben sich umgetan in den Ateliers, einige Stunden, wenn\s hoch kommt. Einmal mehr ist es kein Blick des vielbeschworenen Anderen, was sich so geltend machte, sondern die treuherzige Optik der Vielgereisten, die wahrnehmen, was sie immer wahrnehmen: den International Style des transkontinentalen Betriebs. Wien ist diesem Sehen keine Stadt, sondern ein Nicht-Ort, eine Metropole des Flüchtigen wie die anderen Städte ab einer bestimmten Größe auch. Das Schönste an Wien ist McDonald\s. Die Schau verspricht per Titel Lokalität und inszeniert konsequent daran vorbei. Zelte haben sie in der Kunsthalle installiert und schwadronieren also vom Nomadentum, als wäre dies eine triftige Metapher. Moderne Existenz ist aber nicht vom Hunger bedroht, und die Wasserstelle in einigen Kilometern hat eine andere Dimension der Notwendigkeit als der nächste Internet-Anschluß. Den Hirten und Herden ist es gerade nicht einerlei, wo sie sich gerade befinden. Ihr Blick ist streng justiert auf die Möglichkeiten vor Ort und damit das Gegenteil jener Diffusion, der die Kunsthalle ein Forum gibt. Dabei wäre Ortsspezifik auch und gerade mit den beteiligten Künstlern vorzuführen gewesen: Elke Krystufeks Dildo-Spiele oder Erwin Wurms \"One-Minute-Sculptures\" stehen in bester Kontinuität zu Franz Wests \"Paßstücken\", zu Maria Lassnigs Körpersensitivität und zu Ernst Machs \"Analyse der Empfindungen\". Ein Jahrhundert avancierter Kunstgeschichte ließe sich hier schreiben, so modern wie topografisch bestimmt. Vertan. Womöglich also sind die Wiener Künstler baden gegangen mit dieser Ausstellung. Baden im Fluß der Globalisierung. Hineingeworfen haben sie die Kuratoren.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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