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Das unbekannte Meisterwerk : Drüber und drunter

Die Novelle „Das unbekannte Meisterwerk“, von Balzac 1831 verfasst, wird bis in die Gegenwart unter Künstlerinnen und Künstlern lebhaft diskutiert. Das beobachtete jedenfalls Galerist Christian Meyer und stellte die Erzählung in den Mittelpunkt der aktuellen Schau in der Galerie Meyer Kainer. Die Geschichte schildert die verzweifelten Bemühungen eines Altmeisters, das Bild einer berühmten Kurtisane zu malen, das Meisterwerk schlechthin. Erst nach langem Drängen enthüllt er seinen zwei Mitdiskutanten – einem jungen Genie und einem Salonmaler – das Meisterwerk: „Ich sehe hier bloß ein wirres Durcheinander von Farben, um die herum allerlei bizarre Linien führen, die eine Wand aus Malerei darstellen“, sagt das Genie, verkörpert durch Nicolas Poussin. Doch aus den vielen Schichten ragt ein sensationell gemaltes Detail, ein Fuß, ein „entzückender, ein lebendiger Fuß“, wie es heißt. Nun ist es keineswegs so, dass sich jeder der 15 Künstler und Künstlerinnen in der Ausstellung künstlerisch eingehend mit Balzacs Text befasst hat – gewiss, Kerstin Brätsch lässt in ihrem „Artist Book“ George Didi-Hubermans Interpretation davon einfließen, Rachel Harrison übernimmt die Illustrationen Picassos, die eine Ausgabe der Novelle begleiteten, und kombiniert sie mit einem Porträt von Amy Winehouse, und dass Heimo Zobernig und Albert Oehlen Balzac gelesen haben, ist nun bekannt. Doch viel spannender, als sich auf die Suche nach solchen Bezügen zu begeben, ist es, die Werke hier vor der Folie von Balzacs Geschichte zu betrachten. Es dreht sich um eine „Hyperphysis der Schichtungen und Schwingungen“, heißt es im Begleittext, und das lässt sich gut beobachten – etwa wie Zobernig das Gitter, die Fläche aufreißt, wie Julia Haller zarte Linien über schwarzen Grund gleiten lässt, wie sich bei Brätsch ornamentale Gebilde mit spitzen Zähnchen an den Rändern in- und übereinander schieben. Das ständige Oszillieren zwischen Davor und Dahinter, Darüber und Darunter scheint sich, hat man Balzacs Text im Hinterkopf, sogar zu steigern. Man braucht nicht immer eine wissenschaftlich belegte These für eine Ausstellung – manchmal reicht es, der Kunst die richtigen Fragen zu stellen.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Das unbekannte Meisterwerk
17.06 - 25.07.2015

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
bitteichweisswas | 14.07.2015 06:58 | antworten
vielleicht genügt es ja auch, dem Titel der Ausstellung lediglich ein "?" hintanzustellen ...

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