Hans Weigand - Surfing: Disco Boy goes Surfing
Macht ja Sinn, hierzulande während des Sommers eine Ausstellung mit dem Titel Surfing anzusetzen. Wenn man – wie an einzelnen Tagen angeboten – dazu auch das erwartungsvolle Treiben rund ums Abtauchen in Gelatins Weltwunder (wann sieht man sonst schon Menschen in Bikini und Badehose in einem Museumsgarten?) und auch das mit Spannung erwartete Abheben in die Lüfte des immens voluminösen Aerosolar-Plastiksackerl-Luftpolsters von Tomás Saraceno miterlebt, bekommt es einen Touch der erträglichen Leichtigkeit des Seins. Erst ein zweiter Blick in die Details gewährt auch erstere Hintergründe.
Hans Weigand tauchte tief und kundig in seine Bildarchive, um aus ihnen schöpfend groß- und größtformatige Bilder hervorzuzaubern, in denen mächtige Wellen aufschäumen und flinke Surfer ihr Glück versuchen. Beide, Welle und Reiter, machen kein Hehl aus ihrem Alter und selbst der Bildtitel verweist bisweilen auf das 16. Jahrhundert. Weigand selbst gleitet mühelos durch die Jahrhunderte auf der Suche nach seinen Motiven. Alte Kupferstiche benutzt er wie einen Steinbruch, wie er selbst es ausdrückt, exzerpiert Details, zoomt hinein, kombiniert, fotografiert, untermalt, überzeichnet, printet, schnitzt zuletzt. Das Motiv des Surfers weist auf einen mehrjährigen Kalifornien-Aufenthalt des Künstlers hin, in den 1990er Jahren, als er Jason Rhoades kennen lernte, der aus dem „dekadenten Wiener“ einen „gesunden Kalifornier“ machen wollte. Die Sunshine Mentalität, die unkonventionell-freiheitsliebende Lebensweise kommt im Gitarre spielenden Surfer mit einem Augenzwinkern zum Ausdruck, während ein Renaissance-Recke samt Brett dramatisch in die Fluten stürzt und selbst Hermes nur dank der Flügelkappe der Woge zu entkommen scheint. Wenn Hans Weigand Dinge kombiniert, die realiter nie zusammenkämen, ist das ein Aspekt seiner Auffassung von Künstlersein: Er bekennt, dass es für ihn der einzige Weg ist, anarchistische Züge legal auszuleben.
Was schändlich vereinfachend als Mischtechnik bezeichnet wird ist bei Hans Weigand ein effektvoll ineinander geschichteter digitaler, analoger und manueller Kopier-, Collage-, Druck- und Malprozess. Mit Verweis auf Vorbilder wie Richard Hamilton oder Dieter Roth und wie diese Künstler mit Druckgrafik experimentierten, Materialien mischten, sie radikal zerstörten und die Regeln ignorierten (Zitat Weigand) kommen ihm nun zusätzlich die Möglichkeiten der neuesten technischen Bildschaffungsmethoden zugute. Als gelernter Druckgrafiker greift er natürlich interessiert auf alle Techniken zu, progressiv und retro. Insofern gelang neuerdings ein weiterer Kunstgriff: Nachdem auf Schichtholzplatten („Druckstock“) gedruckt bzw. gemalt wird, verstärkt er in Holzschnittmanier die Konturen oder Schraffuren der Motive. Paradoxerweise entsteht aber durch die vertiefende Kerbung eine optische „Höhung“, da das heller erscheinende Holz in den Vordergrund drängt bzw. der hellbraune Holzton als Farbe tragend wird.
Die Ausstellung ist in mehreren Segmenten thematisch gebündelt. Als Einstiegsszenario fungiert die „Wunderkammer“ mit frühesten Arbeiten von Weigand inklusive des Klassikers Disco Boys aus 1978 ergänzt durch Tochter Katharina Senn’s Nachstellung Disco Girls, 2010. Neben der Panorama-„Koje“, dem Fahrbaren Raum und Schrifttunnel bestechen abschließend vier Leinwände mit architektonischen Kompositionen, deren gemeinsamer Duktus in einem feingliedrigen, in Braungrau gehaltenen Bauwerk liegt auf blaugrauweißsilbrig und rostfarbig changierendem Grund – der pure Kontrast von Präzision und quellender Unbestimmtheit. Überrascht werden kann man auch vom Klimper-Klapper der Kostüme der Demon Brothers. Wie Objekte standen in der Langen Nacht der Museen zwei „Klötzler“, Maskenfiguren aus der Tiroler Volkstradtition, zwischen den Ausstellungsobjekten, umso quirliger und spektakulärer der Effekt, wenn sie zu hüpfen und drehen beginnen und die vielen Plättchen aneinanderschlagen... eine Reminiszenz und „Aufarbeitung“ der Tiroler Kindheit und Jugend Hans Weigands, wie auch des Disco Boys.
17.06 - 13.09.2015
Belvedere 21
1030 Wien, Schweizergarten/Arsenal-Straße 1
Tel: +43 1 795 57-0
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere21.at
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h, Mi, Fr bis 21 h