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Kammermaler

„Die Malerei“, so heißt es in der um 1830 zusammengestellten „Ästhetik“ von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, „gebraucht zum Material für ihren Inhalt und dessen Gestaltung die Sichtbarkeit als solche.“ Nach Jahrhunderten, in dem die Bilder große Geschichten erzählten und für Haupt- und Staatsaktionen gut waren, ist das eine Verfügung von erstaunlicher Schlichtheit. Die Malerei arbeitet mit der Sichtbarkeit. Hegels Zeitgenossen vom Biedermeier haben es gern beherzigt. Speziell im Umkreis des österreichischen Erzherzogs Johann (1782 – 1859) ist es Programm geworden. Der Habsburger, bis heute populär als Reformer und Volksfreund, war der Bruder des Kaisers Karl, er schlug für ihn in den Napoleonischen Kriegen diverse Schlachten, zog sich bald von den Staatsgeschäften weitgehend zurück und verwirklichte in der steirischen Provinz eine Politik im sehr biedermeier-konformen Kleinformat. Eine Gruppe von Künstlern ging ihm dabei zur Hand, die die rustikale Umgebung seiner Heimat porträtierte. Matthias Loder (1781 – 1828), Jakob Gauermann (1773 – 1843) oder Thomas Ender (1793 – 1875) heißen die heute weitgehend vergessenen Landschafter. Die Albertina stellt sie nun unter dem seinerseits biedermeierlichen Titel „Von der Schönheit der Natur“ mit 150 Beispielen vor. „Kammermaler“ wurden sie genannt, auch in diesem Begriff bringt sich das Abgezirkelt-Überschaubare einer nachsommerlichen Gelassenheit zur Geltung. Dabei waren sie allesamt an der Wiener Akademie ausgebildet, sie sind mit durchaus aller Technik und aller Raffinesse begabte Meister ihres Metiers. Wenn ihre Veduten der Ramsau oder des Gasteiner Tals der edlen Einfalt und stillen Größe einer abgeschiedenen Welt huldigen, so geschieht dies aus Kalkül. Was sie zeigen, ist nicht Simplizität, sondern Simplifizierung. So hat es auch ihr Auftraggeber gemeint, als er im Jahr 1824 an seine „Hausfrau“, die Postmeistertochter Anna Plochl, schrieb: „Als ich den grauen Rock in der Steiermark einführte, geschah es, um eyn Beyspiel der Einfachheit und Sitte zu geben, so wie mein grauer Rock, so wurde mein Hauswesen, so mein Reden und Handeln.“ Die Worte des Erzherzogs Johann lassen sich auf die Ästhetik des Biedermeier im Ganzen übertragen. Die Einfachheit, die sie zum Ausdruck bringt, ist geboren aus einer Absicht, einem Willen zur Rückkehr in die Übersichtlichkeit. Sie frönt der Schlichtheit, motiviert aber ist sie von komplexen Erwägungen. Ihre Einfachheit ist Reduktion. Sie ist, mit dem Begriff von Friedrich Schiller, „sentimentalisch“; und so mag sie sich auch über die Naivität ihrer Motive erheben. Matthäus Loder, Erzherzog Johann und Anna Plochl im Boot (I.), um 1824/25, Privatbesitz Mit der Ausstellung beendet Albertina-Vizedirektorin Maria Luise Sternath ihre Tätigkeit. Bedeutende und vor allem höchst seriöse Präsentationen sind ihr zu verdanken, unvergesslich zum Beispiel 2005 die Retrospektive zu Rudolf von Alt, die aus einem Wiener Regionalmaler einen Künstler von Weltgeltung machte, und vor zweieinhalb Jahren die Gesamtschau zu Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit. Natürlich waren es Präsentationen, die sich der Blockbuster-Politik des Hauses eher versagten. Nachhaltigkeit statt Kurzfristigkeit: Mehr als vierzig Jahre war Marlies Sternath an der Albertina. Wieder eine Doyenne des Wiener Museumsbetriebs, die wir vermissen werden.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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