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Die Stunde der Bilder

Im Irak, so ließ sich in den letzten Tagen erfahren, brauchen sie die Statuen nicht mehr, die offenbar ziemlich zahlreich an den Ortseinfahrten, zentralen Straßen und wichtigen Kreuzungen aufgesockelt und bronzepatiniert platziert waren. Sie zeigten einen vielleicht etwas überdimensioniert geratenen, aber im übrigen nicht unfreundlichen Herren mit Oberlippenbart, der den Passanten und Autofahrern grüßend zuwinkte. Wie man im Fernsehen erkennen kann, geht man momentan ziemlich rüde mit den Standbildern um, ja, man ist besorgt, dass sie allesamt von ihren Postamenten gehoben, über den Boden geschleift und durch den Dreck gezogen werden. Nun ließen sich in der Tat bessere, umwelt-, sozial und konsensverträglichere Arten des Umgangs mit den Figuren ersinnen als man es gerade im Orient praktiziert. Anbei ein Foto, das deutlich macht, wie man es bereits vor fünfzig Jahren mit einer milden Form von Veränderung versuchte. Das Foto zeigt die Büste, die im Jahr 1953 vom ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, angefertigt wurde, aus grünem Fichtelgebirgsmarmor, von der Hand des Steinmetzen Arnold Czechowski. Wer sich an den Alten aus Rhöndorf erinnert, wird ein wenig Zweifel an der Lebensnähe der Darstellung haben, zumal die Höhe des Kopfporträts, sie beträgt mehr als einen Meter, ihrerseits wenig zur demokratischen Legitimation des Regierungschefs passt. Und tatsächlich, der Steinmetz hatte Hand an ein bereits bestehendes Monument gelegt, eines, das Adenauers Vorgänger im Amt des deutschen Kanzlers zeigte. Der hieß bekanntlich Adolf Hitler. Es war nun Sache handwerklichen Geschicks, den Gröfaz den neuen Verhältnissen, die nach patriarchaler Güte verlangten, anzupassen. Einen Versuch war es offenbar wert. Ars Longa Vita Brevis. So hat man einst aus Jupiter den Christengott gemacht und aus seinen begleitenden Eroten geschlechtslose Engel. Als Nero tot war, wurde sein Kolossalbild in ein Monument Apolls umfunktioniert; später durfte sich darin der Kaiser Commodus verewigt sehen. Antonio Canova goss sogar, ganz Gender-beflissen, in eine Statue der Weisheitsgöttin Athene das Antlitz Napoleons. Die Stunde der Bilder wird abermals kommen. Wichtig war bei der Metamorphose von Hitler zu Adenauer vor allem, dass der Schnurbart verschwindet. Und in diesem Sinn ließe sich auch Saddam Hussein nähern. Nicht auszudenken, was künftige Generationen und bessere Welten an bildwürdigen Herrschaften finden werden, um die Gesichtszüge des Diktators umzuleiten. Aus Geschmacksgründen wollen wir vorab allerdings keine Namen nennen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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