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Degas

Eingefrorene Bewegung: Der dynamischsten aller Künste, dem Tanz, hat sich Edgar Degas in seinem Oeuvre verschrieben. Bilder können, darin liegt eine Grunderkenntnis der Moderne seit Gotthold Ephraim Lessings „Laokoon“, die Dinge nur im Raum zeigen, während ihnen die Zeit verschlossen bleibt. Deshalb, sagt Lessing, gelte es für Maler, den „fruchtbaren Moment“ zu finden, jenen entscheidenden Augenblick, da sich die Handlung im Ereignis verdichtet. Degas` Ballettbilder liefern stets erneuerte Spurensicherungen dieser einen entscheidenden glücklichen Stille im Stakkato der Abläufe. Elevinnen sind es, Sylphiden, die „petits rats“ der nachkommenden Generation, denen Degas den peerfekten Augenblick ablauscht. Die Glücklichkeit der Wahl liegt darin, dass nicht zu entscheiden ist, ob der Künstler das Kontinuum der Körpermotorik abrupt abschneidet, um es der Statik des Bildes untertan zu machen; oder ob die Tänzerinnen selbst gerade verharren, eine Pause machen und nun pantomimisch, somnambul, in sich gekehrt nachvollziehen, was soeben noch reine Physis war. Die kinetische Energie jedenfalls ist potentielle geworden, und Degas bannt sie in die Fläche. Edgar Degas, Ballettklasse, um 1880, Privatsammlung Seit den Jahren um 1870 hatte sich Degas, damals 35jährig, dem Ballett gewidmet. Oftmals sind es Pastelle, die dabei entstehen. Die Technik des 18. Jahrhunderts zur Darstellung des Intimen wird einer Motivwelt dienstbar gemacht, in der das Verwischte, Hingehauchte, Angedeutete und Transitorische Daseinszweck ist. Die duftige Gaze des Tutu, die gleichsam hinüberweht in die Hintergründe und stofflich bestenfalls greifbar wird als ein Nichts, das die Oberschenkel verdeckt, findet in der trockenen Pudrigkeit der Pastellkreide ihr ureigenes Material. Die Kunsthalle Karlsruhe, die sich jedes Jahr im Herbst an einem Blockbuster versucht, stellt nun diesen Degas in den Mittelpunkt einer großflächigen Präsentation, um dabei den Blick zu weiten. „Klassik und Experiment“, so der Titel, will zu allen Avanciertheiten des Chronometrischen und darin gleichsam Vor-Futuristischen auch Degas' Prinzip der Aneignung zählen. Vielfältig wird Degas als Kopist gezeigt, wie er sich die Vorgänger anverwandelt, und als Vergangenheitsbewältiger, der darin, Manet vergleichbar, der Modernität huldigt. Ehrgeizig ist das Vorhaben der Ausstellung schon. Womöglich bestätigt es allerdings das Bild, das man von jeher von Degas hat: Am besten ist er bei den Balletteusen. Die Moderne pflegt sich in Gegensatzpaaren zu definieren: War es im 20. Jahrhundert vor allem der Dualismus von Figuration und Abstraktion, so hielt sich das 19. an die Dichotomie von Realismus und Idealismus. Kunst im Anblick der Gegenwart stand Kunst im Angedenken ans Erinnerte und Verfeinerte gegenüber. Degas versucht konsequent, diesen Gegensatz in sich zu vereinen. Gerade auch hier hilft ihm das Thema Tanz: Ballett ist Arbeit und Ästhetik in einem, ist hartes Training und Schöngliedrigkeit. Degas` Bilder blicken in die Gegenwelt des Elfenhaften, zugleich blicken sie auf und vor allem hinter die Bühne des Aktuellen. www.kunsthalle-karlsruhe.de
Mehr Texte von Rainer Metzger

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