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Peter Weibel - Medienrebell. Warnung! Diese Ausstellung kann Ihr Leben verändern: Multimediale Rebellionen

Auf den Mund gefallen war der Medienkünstler und -theoretiker Peter Weibel noch nie. Dementsprechend großspurig lautet auch der Titel der aktuell im 21er Haus laufenden Werkschau anlässlich seines 70. Geburtstags: »Warnung – Diese Ausstellung kann ihr Leben verändern«. Das Credo erfolgt quasi als Antwort auf die Publikation seines philosophischen Wegbegleiters Peter Sloterdijk »Du mußt dein Leben ändern – Über Anthropotechnik« (2009). Aber kann eine museale Inszenierung von Weibels künstlerischen Gesamtwerks diesem – auf den ersten Blick etwas präpotent wirkenden – Anspruch wirklich gerecht werden? Überraschend zurückhaltend und nahtlos reihen sich bekannte Werke aus dem Expanded Cinema wie das »Tapp und Tastkino« mit VALIE EXPORT (1969), der als Uni-Ferkelei rezipierten Aktion »Kunst und Revolution« u.a. mit Günther Brus und Otto Mühl (1968) und der politischen Installation »Österreichzimmer« (1982) neben unbekannteren, zum Teil erstmals veröffentlichten Werken ein. Rasch zeigt sich, dass die AusstellungsmacherInnen des Belvederes rund um Alfred Weidinger weder Kosten noch Mühen scheuten den »Medienrebellen« Weibel in Szene zu setzen: Metallene Schiffscontainer mit aufwendigen Rauminstallationen wurden neben maßgefertigten metallenen Regalsystemen platziert, in denen die unterschiedlichen Arbeiten gleich einem Archiv zugänglich sind. Eine Besonderheit stellen eigens für diese Ausstellung realisierte Projekte dar, allen voran die 1975 von Weibel konzipierte, multimediale Installation »Musik-Ausstellung«, in der die Vereinnahmung der Musik im Nazideutschland sowie die Gräueltaten an MusikerInnen in den KZs thematisiert wird. Gleichzeitig beschreiten die gezeigten Exponate eine regelrechte tour de force durch die Mediengeschichte: von Experimenten mit Schreibmaschinen in »Prinzip Widerstand« (1971), über analoge Fotografie und Film, bis hin zu komplexen Videoinstallationen wie »ICHZEIT-ZEITICH« (1975). Bei letzteren erzeugt die Interaktivität mit den BetrachterInnen lust- und spannungsvolle Momente, vor allem wenn die Erwartungshaltungen – mittels Zeitverzögerung bzw. dem Wechsel zwischen Live-Bildern und Aufnahmen vom Band – konsequent unterlaufen werden. Die bis dato gegebene Funktionstüchtigkeit der veralteten Abspielgeräte ist höchstwahrscheinlich dem Restaurationsteam des »Labor für antiquierte Videosysteme« zu verdanken, welches praktischer Weise dem – von Peter Weibel geleiteten – Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe untersteht. Als ebenfalls medienhistorisch relevant kann die im Kontext der Ars Electronica entstandene Video-Serie »Gesänge des Pluriversums« (1986) betrachtet werden: Zwar wirken die Effekte der aus Realfilmaufnahmen, Fotografien, analogen und digitalen Bearbeitungsmethoden bestehenden Arbeit bisweilen plakativ und naiv, dennoch zeigen sie wichtige Entwicklungsschritte der heute allgegenwärtigen computergenerierten und manipulierten Bildwelten auf. Weitere Filme und Videos von und mit Peter Weibel werden – leider etwas versteckt – täglich von 14-16 Uhr im 21er Haus beheimateten Blickle-Kino gezeigt. Der Medientheoretiker Weibel – mit Veröffentlichungen wie »Die Beschleunigung der Bilder« (1987/2003) oder »Time Slot. Geschichte und Zukunft der apparativen Wahrnehmung vom Phenakistiskop bis zum Quantenkino« (2006) – findet eher im ausführlichen Katalog, als in der Ausstellung seinen Platz. Einen guten Hinweis auf sein theoretisches Kaliber liefert aber die Installation »Vehikel und Bioprothesen sind intelligente Produkte, die unsere Behinderungen überwinden« (1994), bei der auf zwei Fahrrädern Video Player installiert wurden. In dieser plaudert Weibel mit dem bekannten Philosophen Slavoj Žižek und wirkt neben dem exaltierten Slowenen regelrecht entspannt. Umso stringenter zieht sich Peter Weibels spielerisch-künstlerischer Umgang mit Sprache durch die Exponate. Sei es in Form von innovativen Werktiteln, wie bei der Installation »Hörbar« (2006/14), sei es aufgrund wortwörtlicher Ausführungen von Handlungsanweisungen wie der 1973 aufgeführten »Selbstbeschreibung«, in der der Künstler seinen Umriss auf einer Scheibe schreibender Weise ausfüllt. Meist erzeugen die Wortspiele zumindest ein Schmunzeln, beispielsweise wenn die BesucherInnen gleich zu Beginn der Ausstellung das Wort »Recht« mit Füßen treten. Müssen einige der im 21er Haus präsentierten Arbeiten sowohl aufgrund der veralteten Techniken, als auch des veränderten politischen Klimas im Kontext der jeweiligen Entstehungszeit gesehen werden, bestechen wieder andere mit einer erschreckenden politischen Aktualität. So heißt es etwa auf zwei angerosteten Metallplatten: »Ich glaube an den Untergang der Welt / aber nicht an den Untergang des Kapitalismus« (1994). Als einzig wirklicher Störfaktoren dieser klar strukturierten und dennoch entdeckungsreichen Ausstellung wirken die zahlreichen quietschbunten, zwischen den Exponaten ausgestellten »Parasitären Skulpturen« (2009), und das selbst bei ironischer Betrachtungsweise. Warnung – Kann diese Ausstellung ihr Leben verändern? Nicht zwangsweise. Aber Peter Weibel hat mit Arbeiten, die bisweilen zum fixen Kanon der österreichischen Aktions- und Medienkunst zählen, die sich wandelnde Welt nicht nur dokumentiert sondern auch politisch und künstlerisch mitgestaltet. Sollten man also nicht unter einer akuten Wortspiel-Allergie leiden, ändert diese Werkschau im 21er Haus zumindest den Blick auf die Entwicklung der Medienwelt.
Mehr Texte von Anna Gien

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Peter Weibel - Medienrebell. Warnung! Diese Ausstellung kann Ihr Leben verändern
17.10.2014 - 18.01.2015

Belvedere 21
1030 Wien, Schweizergarten/Arsenal-Straße 1
Tel: +43 1 795 57-0
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere21.at
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h, Mi, Fr bis 21 h


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