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Reines Wasser: Kein Grund für Romantik

Wofür sollte man sich an einem Sonntag entscheiden? Für die Jahrhundert-Ausstellung des prachtvollen Diego Velázquez im Kunsthistorischen Museum oder „Reines Wasser“ im Lentos, soll man im halbwegs sauberen Wien bleiben oder sich in die Rauchwolken der (verbliebenen) Linzer Industrie begeben? Damit soll aber nicht das eine gegen das andere ausgespielt werden. Hier und dort geht es vor allem um die Qualität; in Wien um die Kunst der todgesagten Malerei und in Linz um die kostbarste und immer bedrohtere Ressource der Welt und der Natur. Es ist bemerkenswert, dass gerade in einem Land mit ausreichender Trinkwasserversorgung solche brisanten Themen mit viel Aufwand thematisiert werden. Werden damit die Sehnsüchte der Schaulustigen befriedigt oder ist das der Beweis für das sprichwörtliche heimisch-ökologische Bewusstsein? Obwohl der Ausstellung, nach der Aussage der Lentos-Direktorin Stella Rollig die Bedeutung eines Appells zukommen soll, täuscht der erste Eindruck. Es ist überwiegend das Kunsthistorische, das ins Gewicht dieser vielfältig in diversen Strängen – von Schwimmen über Körper bis Geister und Träume – aufgefächerten Show fällt. Die Ausstellung beginnt mit der dem Flüssigen naheliegenden Fluxus Bewegung. In den 1950er und 1960er Jahren war es jedoch den Künstlern nicht so sehr um ökologische und ökonomische Werte des Wassers gegangen, sondern um Wasser zur Dekonstruktion oder zur meist auf spektakuläre Weise radikalen Aufhebung der traditionellen (stabilen) künstlerischen Materialien wie die Arbeiten z.B. von Vito Acconci, Allan Kaprow oder Peter Weibel veranschaulichen. Die zerstörerische Kraft des flüssigen Elementes kommt dagegen heute in sozialen Bereichen zum Ausdruck. Im Video der jungen, politisch engagierten Aktionskünstlerin Regina Hose Galindo aus Guatemala wird sie nackt und wehrlos mit einem Wasserstrahl von einem uniformierten Mann gepeinigt. Kaprows Projekt „Fluids“, in dem er in Los Angeles an verschiedenen Orten Räume aus Eis errichtete, zeigt mentale Korrespondenz zur treppenartigen Pyramide aus Eisblöcken in der ägyptischen Wüste, die 2009 der Aktionskünstler Joachim Eckl gemeinsam mit anderen aufgestellt hat. Diese etwas magisch wirkende Phantom-Skulptur, die kein Weltalter überdauerte, sensibilisiert für die gemeinsame globalisierte Kultur, ohne ewige Verschmutzung. Weniger Trost schenkt allerdings die Skulptur von Rachel Harrison, die den wichtigsten Lebensspender in Form eines unbrauchbaren Wasserkühlers in einen Behälter aus Zement hinein zwingt als wäre er bereits ein archaisches Juwel, oder nur ein Abfall des kapitalistischen Systems. „Dieses Wasser ist sicher nicht rein“ kann man behaupten angesichts der Arbeit von Wilfredo Prieto: „Holy Water“, eine Pfütze aus Weihwasser auf dem Museumsboden. Ironische Vorgehensweise im Umgang mit der Problemzone Wasser kennzeichnet auch die Fotografie von Roman Signer. Als Dokument seiner Aktion zeigt sie wie aus den zu einer Pyramide gestapelten blauen Fässern die weiße Macht wie aus eine Fontäne schießt. Die fidelen Wasserspiele sind jedoch von kurzer Dauer. Timotheus Tomicek lässt in seinem Lichtobjekt „Glass Girl“ eine jungen Frau ein Glas Wasser für die Betrachter fast unwahrnehmbar langsam trinken. Im Bild glimmt ein sentimentales Bedauern um das Verlorene. Die Ausstellung bildet einen Parcours, der 150 zumeist hochkarätige Arbeiten beinhaltet, ein sehr breites Spektrum aus unterschiedlichsten künstlerischen Positionen. Darunter tauchen auch immer wieder Werke auf, die das kostbare Fluid als wohltuende Lebensqualität poetisch und fröhlich anpreisen, wobei das Schöne mit dem Furchterregenden abwechselnd verwickelt wird. Die Ruhe der lichtreflektierenden Wasseroberflächen abbildenden Fotoserie Roni Horns „Still Water“ wird von der musikalischen Installation „Drip Water“ von George Brecht gestört. Beide Werke sind von einer äußersten Konzentration. In der Gegenwart scheint es, dass nach der schwarzen Macht d.h. dem Öl immer mehr auch Wasserressourcen den Aufstieg und Niedergang der einzelnen Staaten und Regionen beeinflussen. Ursula Biemann hat in ihrer Arbeit „Egyptian Chemistry“ das Nilwasser analysiert, das immer mehr unter Druck ökonomischer und kommerzieller Interessen gerät. Bei Gerwald Rockenschaub wird „Pures Wasser-Aus den Bergen Österreichs“ als Multiple in kessen Designflaschen als Fetischobjekt inszeniert. Welche verharrenden Auswirkungen die Wasserverschmutzung für das Leben haben kann, daran erinnern wiederum ein paar Flaschen B`eau Pal der Aktivistengruppe The Yes Men. Sie haben mit ihrer schlauen Meldungsmanipulation auf BBC World Aufsehen erregt, indem sie verkündeten, dass ein Chemiekonzern, der durch seine technischen Pannen in Bhopal 1984 in Indien den Tod Tausender Menschen verursacht hat, bereit sei, spät aber doch, zwölf Milliarden Dollar an die Familien der Opfer als Entschädigung zu zahlen. Aufgrund dieser falschen News fielen 2004 die Aktien der Firma innerhalb kürzester Zeit. Die Linzer Ausstellung zeigt eine Fülle auch historischer kritischer und kreativer Arbeiten – die aktivistischen treten jedoch gegenüber den sanft-elegischen deutlich in den Hintergrund.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Reines Wasser
03.10.2014 - 15.02.2015

Lentos Kunstmuseum Linz
4020 Linz, Ernst-Koref-Promendade 1
Tel: +43 70 7070 36 00
Email: info@lentos.at
http://www.lentos.at
Öffnungszeiten: täglich außer Mo 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr


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