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Das House of Fear von Basel

Die Liste ist angekommen und könnte sich jetzt zur Ruhe setzen. Es fehlt eigentlich nur noch die großzügige Halle auf einer Ebene anstelle des verwinkelten ehemaligen Industriegebäudes, in dem selbst die hinterste Besenkammer noch mit Kunst bestückt wird. Dann würde allerdings noch der Letzte merken, dass hier fast keine Entdeckungen mehr zu machen sind (zu den wenigen Ausnahmen gehört die Galerie Sabot aus Cluj in Rumänien). Zu etabliert ist das Teilnehmerfeld, das ungefähr deckungsgleich mit Frieze London abzüglich der Art Basel-Galerien ist. Und um wirklich keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, hat die Liste erstmals auf den Zusatz "The young art fair" verzichtet. Von Reife kann bei der Art Basel-Tochter Design Miami Basel hingegen beim besten Willen nicht die Rede sein. Vielleicht sollte sie sich in Interior Design umbenennen. Dabei gehören einige der Möbel noch zum Besten, was die Veranstaltung zu bieten hat, sei es von aktuellen Entwerfern, die etwa bei Gabrielle Ammann aus Köln die Nähe zur Bildenden Kunst suchen, oder von Klassikern der Avantgarde, die bei Ulrich Fiedler aus Berlin zu sehen sind. Der Anteil güldenen Glitzerkitsches ist jedoch nach wie vor erschreckend hoch. Was die Sache noch verschlimmert, ist der Umstand, dass es sich bei den Designobjekten um seriell hergestellte Produkte handelt. Man bekommt also immer wieder die gleichen Zumutungen zu sehen. Ein Klassiker-Händler auf Besuch sprach gar vom "house of fear". Vom neuen Direktor ist keine Besserung zu erwarten. Auf der Eröffnungskonferenz war er derartig "thrilled", "amazed" und "overwhelmed", dass man glauben konnte, er hätte einen Tag in Disneyland auf LSD verbracht statt auf seiner eigenen Veranstaltung. Die berüchtigte Scope im Hafengebiet im Dreiländereck versammelt wie immer den Bodensatz der Kriterienlosigkeit. Da dieses Phänomen inzwischen ebenso an der Spitze des Marktes vorherrscht, demonstriert die Zeltmesse anschaulich, dass gewisse Kunst vor allem eine Sache des Marketings ist. Denn das, was hier zwischen kaum verhohlener Pornografie und Selbstgebasteltem glitzert und blinkt, könnte genau so gut von einem New Yorker Galeriekonzern mit Filialen in London, Hongkong, Paris etc. zu noch schwindelerregenderen Preisen angeboten werden. Andererseits versuchen sich vereinzelt Aussteller mit kapitaler Sekundärmarktware, weil sie keine Chance auf Zulassung an der Hauptmesse haben, aber in Basel präsent sein wollen. Zu ihnen gehört die gerade erst gegründete OTCA Gallery aus London, die mit einer monumentalen Anselm Kiefer-Arbeit zu rund anderthalb Millionen Euro aufwartet - zuzüglich Mehrwertsteuer. Zum Solo Project, das als einzige Messe in Richtung Dreispitz übriggeblieben ist, kann man getrost Golfschläger zum Üben in den Gängen mitbringen. Das ist schade, denn unter den rund 30 Galerien sind durchaus interessante Positionen zu entdecken. Und die wenigen Besucher, die den Weg nach Sankt Jakob finden, kaufen auch durchaus, und dann gleich mehrfach. So hat Rüdiger Voss aus Düsseldorf mehrere großformatige Gemälde an zwei bekannte türkische Sammler abgegeben, die sich auf der Messe in Istanbul noch nicht hatten durchringen können. Wegen dieser relativ hohen Sammlerdichte unter den Besuchern ist die Rückkehrerquote recht hoch, darunter Jörk Rothamel aus Erfurt/Frankfurt am Main und Peter Lindner aus Wien. Trotzdem wäre es schön, wenn man als Besucher nicht das Gefühl hätte, unwillkürlich in Flüsterton verfallen zu müssen. Zum Schluss die gute Nachricht: Die Volta hat mit ihrem erneuten Umzug deutlich gewonnen. Ursprünglich hatte das Elend mit der Markthalle begonnen. Beim letzten Umzug in diese Location vor einigen Jahren hatte gerade Merchandise Mart die Veranstaltung gekauft. Der US-amerikanische Konzern war hauptsächlich am Umsatz orientiert und stopfte über 100 Galerien in die etwas abgerockte Halle am Hauptbahnhof. Die Qualität war entsprechend gruselig und selbst der Umzug in das kleinere aber abgelegene Dreispitz-Areal half da nicht mehr. Jetzt scheint sich ds Blatt gewendet zu habe. Der Kuppelbau wurde aufwendig restauriert und bietet jetzt den schönsten Rahmen in Basel - die Hauptmesse eingeschlossen. Das nun wieder auf rund 60 Aussteller reduzierte Feld bietet ordentliche Qualität junger bis etablierter Galerien und Künstler. Verkauft wird bis in den mittleren fünfstelligen Bereich, fast ausschließlich an privat und oft spontan. Sollte der gelungene Relaunch sich herumsprechen, könnte nächstes Jahr wieder mit mehr attraktiven Positionen zu rechnen sein. -- Liste Design Miami Basel Scope Basel The Solo Project Volta
Mehr Texte von Stefan Kobel

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