Werbung
,

Warum nicht lernen? Antidiskriminierung ist korrekt!

Zuletzt bekamen wieder manche Lust das N-Wort zu benutzen, weil es ja angeblich verboten wäre. Zugleich vergeht noch immer kaum eine Woche, in der es nicht jemandem ein Bedürfnis ist, gegen „ausuferndes“ Gendering anzuschreiben, oder müde Witzchen über Gleichbehandlungsforderungen zu machen, wie jüngst jener Abgeordnete, der sich fragte, ob denn nach den Homosexuellen die Ehe auch für jene möglich sein sollte, die ihr Auto heiraten wollen. Selbstverständliche Elternwünsche, wie jener nach Kinderbüchern, die keine Stereotypen reproduzieren, werden zu Zensurbedrohungen hochgejazzt und Sensibilisierungskampagnen wie Harri Stoikas „Wir sind gegen das Wort Zigeuner“ rufen verlässlich trotzige Verteidiger des Z-Schnitzels auf den Plan. Dabei verbindet sich das rumpelstilzige „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ häufig mit einer wutbürgerlichen Nostalgie nach einer Zeit des Rauchens, des Fluchens und des Herrenwitzes. Die Abwertung beginnt bereits oft damit, dass von „Korrektheit“ gesprochen wird, wo Antidiskriminierung gemeint ist. Dabei hinken die PC-KritikerInnen manchmal Jahre hinter dem juristischen Mainstream hinterher, wie etwa dann, wenn als Beispiel für „Korrektheit“ genannt wird, dass es in bestimmten Umgebungen verpönt wäre, in Vorstellungsgesprächen nach Familiengründungsplänen zu fragen. Die Vermeidung dieser und ähnlicher Fragen ist nicht nur irgendwie diskursiv geboten, sondern seit Jahren ausjudizierte Antidiskriminierungspraxis mit Schadenersatzsanktion. Es stellt auch keine diskursive Verirrung dar, wenn in Stellenanzeigen mittlerweile gesetzeskonform der „Verkäufer“ vermieden und stattdessen geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet werden, ebenso wie es dem ORF per Gesetz verboten ist, Werbung zu senden, die „Diskriminierungen nach Rasse oder ethnischer Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion oder Glauben oder Staatsangehörigkeit oder sexueller Ausrichtung enthalten“. Wer also in der aktuellen Debatte um eine Ausweitung des Gleichbehandlungsgesetzes fordert, dass das Diskriminierungsverbot auf den Dienstleistungssektor auszudehnen wäre, befindet sich im Zentrum honoriger europäischer (Rechts)politikdiskusssion und nicht am Rande einer imaginierten „Überkorrektheit“. Die Diskurslage ist nur scheinbar unübersichtlich: Fast immer stoßen sich VertreterInnen dominierender oder ehemals dominierender Gesellschaftsschichten an der Kritik, die meistens von jenen kommt, die nicht mehr bereit sind, sich dieser Dominanz schweigend zu ergeben. Auffällig ist dabei, dass von scheinbar verständnisvollen PC-KritikerInnen Begriffe wie „ausufernd“, „übertrieben“ oder „überzogen“ ins Spiel gebracht werden, wenn es darum geht, „korrekte“ Forderungen zu desavouieren. Diese Chiffren bedeuten wohl zweierlei: Einerseits sollen sie legitimieren, dass es nur zu verständlich wäre, wenn sich gegen das „Überzogene“ Unbehagen entwickelt, und andererseits wollen die KämpferInnen gegen das „Übertriebene“ die Messlatte nicht aus der Hand geben, mit der sie weiterhin selbst feststellen wollen, wo die Grenze zwischen „legitim“ und „überzogen“ denn verläuft. Eine in der Kunst häufig anzutreffende Gruppe dieses Segments könnte man als lernunwillige Ex-KritikerInnen bezeichnen. Ihre Bockigkeit beziehen sie aus der stabilen Überzeugung ihrer eigenen „kritischen“ Haltung, die gerade sie dazu berechtigen würde, das „Überzogene“ an den den gegenwärtigen Forderungen zu erkennen. Dabei sind es bisweilen gerade VertreterInnen jener Generation, die ihren Eltern nachgewiesen haben, dass ihre Begriffe und Vorlieben (vom „Fräulein“ über die „bessere Hälfte“ bis zum „Arztwitz“ – ganz zu schweigen von dem damals rundum hörbaren Nazivokabular) von Unrecht geprägt sind, die heute nicht mehr lernen wollen, dass es wohl KünstlerInnen heißen sollte, wenn alle gemeint sein sollen, oder, dass es Direktoren nicht gut ansteht, ihre assistierenden Mitarbeiterinnen nur mit Vornamen vorzustellen. Im Kulturbetrieb verwundert die bisweilen störrische Abwehr umso mehr, als es gerade die ProduzentInnen von Bildern und Worten sein müssten, die über die besten Augen und Ohren für Unakzeptables verfügen sollten. Man wird manchmal den Verdacht nicht los, dass gerade jene, die einen großen Teil ihres Selbstverständnisses aus der ständigen Bereitschaft zur Kritik gezogen haben, gegenüber aktuelleren Kritikformen gerne verfügen würden, dass nun Schluss mit den Veränderungen sein müsse. Es scheint als wäre an manchen Orten die Lernwilligkeit erschöpft. Das Befragen des Tradierten soll dann aufhören, wenn es die alten Fragesteller wünschen. Dabei wäre es so einfach: Warum nicht lernen?
Mehr Texte von Martin Fritz

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
DI
Karin Domig | 03.06.2014 09:37 | antworten
...dem ist nichts , sehr gut bemerkt - am besten gefällt mir die Beschreibung der "Korrektheit" unter der das "Gewohnte" legitim ist.
PC made in Austria
Klaus Anton | 12.06.2014 03:43 | antworten
Diejenigen die das Stück ja mit allem verbieten wollten, wussten ja nicht einmal von wem es eigentlich geschrieben wurde. Da stand am Pranger nicht Genet, sonder der Regisseur wurde als Autor bezeichnet. Wer nicht einmal genug Ahnung hat wer denn das Stück eigentlich geschrieben hat, geschweige denn von was es handelt, dem sollte meiner Meinung nach auch nicht zugehört werden. Besonders wenn man das Stück kennt, und den Autor. Der übrigens von den Black Panters damals extra nach Amerika eingeladen wurde. Und ihnen eine Art Vorbild war. Und Angela Davis war eine Freundin von ihm, mit der er sich über möglichkeiten des schwarzen Wiederstands ausgetauscht hat. Aber neeeee des is n Rassist, weil der hat Neger geschrieben. Der muss weg - wie damals schon Harald Schmidt gesagt hatte.... Vor vielen vielen Jahren.

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: