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Der arme Munch

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Ihnen die Albertina und ihr neuer Herrscher nach dem Mediengetrommel der letzten Wochen aus dem Hals heraushängen. Sie werden auch sicher noch ziemlich verhärmt sein, wenn Sie sich letzten Freitag im kalten Nieselregen vor Hofburg und Albertina im Anmeldechaos kalte Füße und heiße Wut geholt haben. Und trotzdem keinen Einlass fanden. Wie z.B. ein schlecht gelaunter bekannter Museumsdirektor. Aber wenn Sie`s so wie ich tapfer ausgestanden hatten und endlich drinnen waren, dann kann man sagen - Sie waren wirklich dabei. Denn alles was in Kultur, Politik und Schickeria einen auch noch so kleinen Namen hatte, war da. Auch Prolos waren eingeladen. (Sagt ein Mann zu seiner Frau, die den Lebenslauf Munchs studieren wollte – "Geh weida herst, des brauchst net lesen, des hab i scho glesen" Oberarmquetsch, ruck und zerr). Ich war wirklich überrascht, wen der Schröder so alles kennt oder sichtlich kennen lernen will. (Denn da auch ich ein Weilchen vor den durchaus freundlichen Zerberussen stehen durfte - alle aber auch wirklich alle Wartenden hatten tatsächlich eine Einladung). Schließlich durfte ich dann im Pulk kollektiver Erwartungshaltung die heiligen, hohen, großzügigen und gülden restaurierten imperialen Gemächer abschreiten, durfte mich mit ungeduldig Murrenden durch eine kleine Glastüre quetschen um endlich und ob der plötzlich geringen Raumhöhe der verwinkelten Allerwelts-Ausstellungs-Kabinetterln leicht schockgebückt im ersten Raum der Munch-Präsentation zu stehen und nach Luft zu schnappen. Der arme Munch. Das hat er nicht verdient. Aberhunderte ob der langen Wartezeit im nieseligen Freien ziemlich angefeuchtete Mantelträger und –innen wuzzelten sich an Bilder, Zeichnungen und Druckgrafiken vorbei, bejubelten und beglückwünschten sich ob Ihrer Anwesenheit und besprachen vor dem Bild "Das kranke Kind" welches Lokal man anschließend am besten besuchen könnte. Smalltalk, Gedränge, Hitze und Luftfeuchtigkeit ließen Ferienstimmung in Bali aufkommen. Es war halt nur nicht Urlaub auf Bali und auch nicht das Münchner Oktoberfest, sondern eine wirklich hochkarätige Munchausstellung in der Albertina. Und der Verantwortliche hat ziemlich verantwortungslos gehandelt. Verantwortungslos im restauratorischen Sinne der Kunst. Unwiederbringliche Kunstwerke mit unzumutbaren klimatischen Exzessen zu gefährden, nur um protzen zu können ein paar tausend kultureventgierige Leute in Bewegung gesetzt zu haben, das ist eines international renommierten Kunstspezialisten und Albertinadirektor nicht würdig. Die Munchausstellung ist in ihrem Umfang und in ihrer Präsentation sensationell. Es wäre schade, wenn in Zukunft Museen und Sammler ob dieser unverantwortlich krawalligen Masseneröffnung die Albertina als Kunstwerke gefährdend einstufen und von Leihgaben absehen.
Mehr Texte von Manfred M. Lang

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