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Kentridge

Die Kunsthalle Krems widmet ihr Frühjahrsprogramm Momenten des Graphischen. Die Sammlung an Handzeichnungen des 16. bis 21. Jahrhunderts aus dem Besitz des Münchner Galeristenpaars Bernd und Verena Klüser trifft auf eine fragile Raum-Installation Constantin Lusers. Im Mittelpunkt der Veranstaltung, ausgebreitet im zentralen Saal, steht William Kentridge. Als wäre es bestes Kino, gibt es die Vorführung seiner Animationsfilme, die er mit dem praktischen Etikett „Drawings for Protection“ versehen hat. Dem Kunstbetrieb ein Begriff wurde Kentridge durch seine Präsentation auf der zehnten documenta 1997. „Felix in Exile“, in den Jahren 1993/94 entstanden, wurde damals gezeigt und ist jetzt in Krems wieder zu sehen. Die wortspielerische Arbeit über Felix im Exil ist in der Tat ein Schlüsselwerk von Kentridges spezieller Erklärungskunst. Die Geschichte seines Alter Egos Felix, einem verschrobenen Jongleur mit Lebenslagen, der mit Soho, dem sinistren Kapitalisten, seine Sträuße ficht, bietet sich einschlägigerweise als Trickfilm dar, als eine kinematografische Etüde indes, die das Gemachte und Materielle ihres Verfahrens in den Vordergrund stellt. Dieser Zeichentrickfilm bekennt sich zu seiner Genese aus der Zeichnung, es dominiert der Eigenwert der dicken Kohlenstriche und die Geste der Hand, die man immer wieder als flüchtige Markierung gewahrt, wenn sie ansetzt, Konturen hinzuzufügen oder ein Motiv schlichtweg auszuradieren. William Kentridge, Zeichnung für den Film "Felix in Exile", 1994, © William Kentridge, 2014, Courtesy William Kentridge Studio Die Strichfigurationen Kentridges sind bei aller Transparenz auf die Erzählung hin immer auch opake, in ihrer Haptizität greifbare Grafiken. Die Erzählungen wiederum handeln von einer Umbruchszeit, wie Kentridge selber sie hautnah zu spüren bekam. 1955 in Johannesburg geboren, wurde er groß unter dem notorischen Regime der Apartheid. Als er „Felix in Exile“ konzipierte, stand Südafrika vor seinen ersten freien Wahlen. Kentridges filmische Mittel transformierten sich ins gezielter Künstlerische hin, und statt einer ausgeprägten Propaganda gab es nunmehr so etwas wie Poesie. Von jeher stand Kentridges Oeuvre auf einer zweiten Basis. Es war die gewissermaßen authentische Version zur doch immer auch retortenhaften, in der Apparatur verfangenen Projektion von Filmen, nämlich das Theater. Kentridge arbeitet mit allen Mitteln des Bühnenzaubers, und Extrakte aus Kammeroper, Schattenspiel, Live-Animation finden zusammen zu speziellen, oratorienhaften Inszenierungen. Der großen Zeit einer orthodoxen und darin emphatischen Moderne ist Kentridge insgesamt verpflichtet. Der zeichnerische Duktus mit seiner düsteren Zügen erinnert an Max Beckmann, der filmische Duktus mit seiner Behauptung einer kruden Materialität erinnert an die Experimente von Dada und Surrealismus, und der inszenatorische Duktus mit seinem Einsatz einer Vielfalt an Techniken und Medien, die dabei niemals dem Illusionstheater verfallen, sondern die Bedingungen ihrer Gemachtheit mit auf die Bühne stellen, erinnert an das Agitprop von Erwin Piscator und der revolutionären Bühnen. Es sind insgesamt Reminszenzen an die Avantgarde, die Kentridge hochhält, an ihre Überzeugung von der Einheit von Kunst und Leben und an die Utopien des Menschenmöglichen. Kentridges Figuren und Figurinen träumen den Traum von der Veränderung, und sie sind klug geworden als Zeitgenossen einer nicht mehr avantgardistischen Kunst. Sie sind Kunst über die Avantgarde. Sie sind Zeichen und Trick. www.kunsthalle.at
Mehr Texte von Rainer Metzger

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