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Wieder da

Auch ein Ostergeschenk: Von diesem Wochenende an ist eines der bedeutendsten Bilder, die jemals gemalt wurden, wieder zu sehen. Die Kunsthalle Mannheim, die seit langer Zeit um-, ab- und neugebaut wird, zeigt unter dem nicht unpassenden Titel „Arche“ insgesamt 240 Werke aus ihren Beständen. Für drei Jahre soll das jetzt, dargeboten in dem Jugendstilbau, der ihre Keimzelle war, so bleiben. Kernstück der Präsentation ist natürlich Edouard Manets „Erschießung des Maximilian“: An vier Versionen hat sich der Modernste aller Modernen versucht, die Mannheimer Fassung ist die avancierteste und, als hätte die Moderne nicht das Fragment entwickelt, auch die elaborierteste. Edouard Manet, Die Erschiessung Kaiser Maximilians Zentrum bei Manet ist Goya, namentlich - und deutlich sichtbar im skurrilen Gegenüber von Schießenden und Erschossenen - dessen dramatisches Geschehen vom „3. Mai 1808“. Auch bei Manet liegt ein historisches Ereignis zugrunde. Es traf seinerzeit Frankreich und seinen Operettenkaiser Napoleon III. ins Mark: Die Mexikaner exekutierten im Jahr 1867 Maximilian, den Bruder des Österreichers Franz Joseph, der auf Betreiben Napoleons das amerikanische Abenteuer antrat und dort seinerseits ein Operettenkaiser wurde, der Kaiser von Mexico. Manets Bild rückt also im Jahr 1867 ein Geschehen des Jahres 1867 in den Fokus: Maximilian wird zusammen mit seinen Generälen Miramon und Mejia in Queretaro hingerichtet. Was Manet aber vor allem in den Fokus rückt, ist die Reminiszenz an Goya: die anonyme Maschinerie der Soldaten, die lanzenartigen Horizontalen der Gewehre, in denen auch noch die Erinnerung an Velazquez' „Übergabe von Breda“ lebendig ist, das Gegenüber von Täter und Opfer, deren Vis-a-vis es nötig macht, das Exekutionskommando viel zu nah an seinem Zielobjekt zu postieren. Interessanter sind jedoch die Unterschiede: Manet zeigt nicht ein anonymes Opfer, sondern ein sehr prominentes; und er zeigt nicht die Erschießung desjenigen, der im Zentrum steht, sondern des Generals zu seiner Rechten. Etwas von der Prominenz Maximilians wird dadurch zweifellos zurückgenommen. Francisco Goya y Lucientes, Die Erschiessung der Aufständischen Diese Abstriche an der Prominenz treffen aber auch das Bild insgesamt. Denn das eigentlich Raffinierte an Manets Goya-Übernahme besteht darin, dass er sie überhaupt für nötig hält. Dass er es für nötig hält, die Haupt- und Staatsaktion einer Kaiserhinrichtung, die immer schon taugte für ein Historienbild, zu doppeln durch ein Werk, das eine anonyme Erschießung zeigt. Die Erschießung von 1808 ist eine Beiläufigkeit. Sie ist eine Beiläufigkeit - als historisches Ereignis. Ein halbes Jahrhundert später ist sie keine Beiläufigkeit - als ein Bild von Goya. Und so nähert sich Manet 1867 der Szene an: Die Kaiserexekution ist ihm ihrerseits Episode, Beiläufigkeit, Marginalität; was diese Exekution wirklich wichtig macht, ist die Tatsache, dass sie einlädt, Goya seine Reverenz zu erweisen. Darauf wird sich der Mechanismus der Appropriationen, der Anleihen, der Referenzen und Reverenzen in Zukunft konzentrieren. Im Mittelpunkt all der Reflexionen steht die Reflexion auf die Kunst. Es ergibt sich der typische Selbstbezug, das permanente Umkreisen des Eigenen und Eigentlichen. Was bei Manet passiert, ist die Reflexion auf die Reflexion. Wir treten nicht nur in die Moderne ein, sondern in ihren Selbstüberbietungsprozess. Kunst wird konzeptuell. www.kunsthalle-mannheim.de
Mehr Texte von Rainer Metzger

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