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Suprematismus

„Es ist Sache des Künstlers, die Kunst zu ihrer Suprematie zu führen und nicht zur ‚Kunst’ der Wiedergabe von Erscheinungen“: Was Kasimir Malewitsch hier den Bildern mit auf den Weg gibt, steht beispielhaft für die Welt der Manifeste in der klassischen Avantgarde. Die Wirklichkeit einfach abzukonterfeien, hieße sich der Kraft des Faktischen beugen. Die wahre Suprematie, die tatsächliche Überlegenheit beweist sich im Gegenteil darin, dass man der Welt die eigenen Zuständigkeiten aufzwingt. Und diese Zuständigkeiten sind jene des Mediums Farbe auf Fläche. „Gibt es die Elemente in Wirklichkeit“, fragt Malewitsch also, „oder handelt es sich um eine eingebildete Einteilung? Wenn die Einteilung in Elemente eingebildet ist, dann ist alles Einbildung, was wir mit ‚Wirklichkeit’ bezeichnen. Alles ist Einbildung von etwas, was tatsächlich gar nicht vorhanden ist. Eine Birke, ein Stein, ein Gewässer sind eingebildete Erscheinungen. Den besten Beweis dafür liefert ein Maler, der eine Landschaft auf seiner Leinwand darstellt: Birke, Stein, Wasser sind gar nicht wirklich vorhanden.“ Für den Meister ist damit der Beweis erbracht. In perfektem Umkehrschluss wird die innere Wirklichkeit der Malerei zur Vorbedingung für die äussere Wirklichkeit der umgebenden Dinge. Weil die Malerei die Bedingungen diktiert, ist die äussere Welt nur vorstellbar als pure Phänomenalität, als reine Erscheinung, als nichts denn Optik. „Gegenstandslos“ nennt Malewitsch diese Welt, und weil sie sich derart vorteilhaft in die Fasson fügt, die ihr die Kunst verschreibt, hat diese alles Recht, sich in den Ismus zu kleiden, der ihre Überlegenheit zum Ausdruck bringt. Im Suprematismus hat Malewitsch sein ureigenes Idiom gefunden. Er hatte die Jahre davor mit all den Neuerungen und Niedagewesenheiten experimentiert, wie sie namentlich aus Frankreich in den Osten brandeten, hatte sich im Kubismus und im Futurismus versucht und war die Synthese des Kubo-Futurismus angegangen. Um das Jahr 1915 dann war die Einheit von Kunst und Leben abgezirkelt. Diese Einheit vollzog sich in der Universalsprache Abstraktion: Das logische Bild von der gegenstandslosen Welt ist das gegenstandslose Bild. An zwei sehr renommierten Orten wird ihm gerade gehuldigt. Die Bundeskunsthalle in Bonn zeigt ihn im Verbund mit den Kollegen von der Avantgarde. Das Kunstmuseum Basel stellt die Vorarbeiten für Malewitschs Publikation von 1927 in den Mittelpunkt, in der er seine Theorie ausbreitete. Natürlich haben derlei Präsentationen ihre Vorlaufzeit, doch dass hier ein Russland vorgeführt wird, das verständlich war, und dank Malewitschs Reduktionen sogar über die Maßen griffig, ist ein vielleicht sehr brauchbarer Nebeneffekt. Kasimir Malewitsch, Schwarzes Quadrat, 1915, 80x80 cm, Tretjakow Galerie Moskau Im übrigen war Malewitschs Konstruktion durchaus revolutionär über das Ästhetische hinaus. Er hatte Gedanken eingeführt, die sich perfekt eigneten, eine Brücke zu schlagen hinüber ins Politische. Nach den Ereignissen des Oktober 1917 war der Kunst sowieso Zuständigkeit für das Gesellschaftliche verordnet, wie man es bis dato, Paris 1789 vielleicht ausgenommen, nicht gesehen hatte. Malewitschs wegweisende Idee bestand darin, die Bilder als Modelle zu nehmen, als Welt im Kleinen für die Welt im Großen des Status Quo. Wenn Bilder die Gegenstandslosigkeit der Realität verbürgten, so konnten sie mit ihrer Abstraktheit auch für Allgemeinheit stehen, mit der Austarierung ihrer Formen für Gleichheit und mit der Einfachheit und Unvermischtheit ihrer Farben für das Miteinander in Eintracht. Der Suprematismus führte vor, was für den Moment nur Bild war, aber Gesellschaft, Nation, Universalität werden konnte in der glücklichen Heraufkunft einer befreiten Menschheit. Das Ende der Bestrebungen kennt man allerdings auch. Der „Sozialistische Realismus“ ist spätestens Ende der zwanziger Jahre Staatsdoktrin, und nicht mehr die souveränen Formen im unteilbaren Raum liefern das Modell für die Zukunft, sondern die lächelnden Brigaden. Die Realität der Macht hat sich ihre Suprematie wiedergeholt. Dabei wird es dann bleiben. Kunstmuseum Basel Kasimir Malewitsch - Die Welt als Ungegenständlichkeit 01.03.2014 - 22.06.2014 Bundeskunsthalle Bonn Kasimir Malewitsch und die russische Avantgarde 08.03.2014 - 22.06.2014
Mehr Texte von Rainer Metzger

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