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Markus Brüderlin 1958 – 2014

In der Ornamentik gibt es eine Faustregel, von deren Gültigkeit man so überzeugt ist, dass sie nach ihrem Erfinder „Nordenfalk'sches Gesetz“ heißt. Sie besagt, dass Ornamente um so figürlicher sind, je mehr sie in den Raum ausschwingen, und umgekehrt um so abstrakter daherkommen, je stärker sie der Fläche verhaftet sind. Der zweite Teil dieses Axioms war natürlich wie gemalt für eine Theorie des Modernismus. Der Zusammenhang von Ornament und Abstraktion samt zugehöriger Theorie war das Leib- und Magenthema des Markus Brüderlin. „Ornament und Abstraktion“ war entsprechend die Schau von wahrhaft prunkvoller Exponatenfülle betitelt, die er im Jahr 2001 der Fondation Beyeler in Riehen verschrieben hatte, jener Institution privater Provenienz, der er seit 1997 als künstlerischer Leiter vorstand. Brüderlins Signaturschau für Beyeler war zugleich die Mise-en-scène seiner Doktorarbeit. Brüderlin pflegte immer schon ein enges Verhältnis zu Bildern, auf denen nichts drauf war als monochrome Flächen, klare Kontraste, Hell-Dunkel-Rapporte, Konturierungen, Schichtungen und Wiederholungen. Schon in den Achzigern, noch ganz jung, galt er entsprechend als Stichwortgeber von Neo-Geo. Damals lebte er schon in Wien, und die Stadt dankte es ihm in Gestalt eines Amtes, das seinerzeit europaweit diskutiert wurde: Brüderlin war – in zweiter Tranche, zusammen mit Stella Rollig - Bundeskurator. Das Amt des ministeriell bestallten Gegenwartskunstpflegers hatte er von 1994 bis 1996 inne, und sein bleibendes Verdienst lag vor allem in der Schaffung des Kunstraums Wien, eines eigenen Ausstellungsforums, installiert im weiland noch Messepalast, vorbildhaft für eine Kulturpolitik der Institutionalisierung von durchaus klein dimensionierten Neugründungen, deren Beharrungskräfte dann um so größer sind. In Brüderlins Kunstraum gab es, kongenial geschäftsführend begleitet von Martin Fritz, jene Konzeptualität, derer die die Moderne von vornherein bedurft hatte, um das Ornament, das ewige Beiwerk, in die Sphären des Essentiellen zu befördern. Anschließend ging Brüderlin nach Riehen, was durch die Galerie-Fondation Attraktion genug darstellt, doch der Baseler Vorort war auch Brüderlins Heimat. Ein wenig in Schräglage wurde sein Engagment dann versetzt, als ein weiterer Rückkehrer, Christoph Vitali, vormals Haus der Kunst, mit ins Beyeler-Boot kam. Brüderlin zog weiter, nach Wolfsburg, dessen Kunstmuseum er seit 2006 vorstand. Auch hier frönte er seinen künstlerischen Faibles, das Ornament blieb Versprechen mit Schauen zu Gerwald Rockenschaub oder Frank Stella; es gab aber auch, bis vor kurzem zu sehen und vielfach akklamiert, eine Themenschau zum exuberanten Thema Slapstick in der Gegenwart. Im Kunstraum Wien war Anfang 1995 eine Ausstellung gegeben worden, die sich „Art & Language & Luhmann“ nannte, ein beispielhaftes Exerzitium in Theatralisierung vordem sprödester Materie. Die Inszenierung lief unter dem wunderbaren Terminus „Theorie-Installation“. Wer will, kann so ziemlich alles, was die Kunstvereine und angeschlossene documenten heute leisten, auf diesen Begriff bringen. So hat Brüderlin im Kunstbetrieb vielfach Fährten gelegt und Spuren hinterlassen. Am vergangenen Sonntag ist er ganz plötzlich und viel zu früh, gerade 55jährig, verstorben.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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