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Kunst und Lager: Burgtheater, Vordernberg, Sydney Biennale, Manus Island

Ein großer Kulturveranstalter gerät ins Gerede, weil er mit mit einem Unternehmen assoziiert ist, dessen Geschäftsbereich auch den Betrieb von Gefängnissen umfasst. Wenn Sie bei diesen Zeilen an das Burgtheater und seinen Dienstleister „G4S“ denken, liegen Sie weiterhin richtig, obwohl im Moment die Unfähigkeit (besser: Unwilligkeit) des Theaters zur Führung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung im Vordergrund der Debatte steht. Im vergangenen Herbst wurde durch die performative Enthüllung des Billeteur/Aktivisten Christian Diaz thematisiert, dass der Publikumsdienst seit Jahren an ein global agierendes Unternehmen ausgelagert ist, dem – unter anderen – vorgeworfen wird, für den Tod des Flüchtlings Jimmy Mubenga während seiner Abschiebung verantwortlich zu sein. In Österreich übernahm „G4S“ zuletzt den Auftrag für Assistenzleistungen im Schubhaftgefängnis Vordernberg, das „Anhaltezentrum“ genannt wird, so als würden Flüchtlinge dort nur kurz „anhalten“ und nicht zwangsweise angehalten werden. Schöne neue, globale Welt: Eine – in Teilen – vergleichbare Situation stand in den letzten Wochen im Mittelpunkt einer Kontroverse um die Biennale von Sydney und ihre Partnerschaft mit dem Mehrspartenkonzern „Transfield“, zu dessen Gewinnen unter anderem Großaufträge für den Betrieb sogenannter „Offshore Detention Center“ beitragen. Diese betreibt der australische Staat außerhalb australischen Hoheitsgebiets, auf pazifischen Inseln und in Papua Neuguinea. In diesen Lagern werden Flüchtlinge zwangsweise angehalten, die ohne Einreisetitel in Australien oder am Meer abgefangen werden. Diese Praxis sorgt in Australien seit Jahren für Kontroversen und erreichte die Veranstalter der Biennale von Sydney Anfang Februar durch einen Boykottaufruf eines lokalen Kunstlehrers und Aktivisten. Die Kampagne gewann an Bedeutung, als vor drei Wochen 21 der bereits eingeladenen KünstlerInnen in einem offenen Brief von der Biennale verlangten, dass diese ihre Zusammenarbeit mit „Transfield“ beenden solle. Zunächst stellte die Biennale noch fest, dass sie keinen Grund sähe, die Beziehung zu ihrem Hauptsponsor zu beenden. Zugleich versuchte der Vorstand die Kontroverse gewissermaßen auf das eigene Spielfeld zu lenken, indem er in seiner Antwort die Biennale als „Plattform für Künstlerinnen“ beschrieb, auf der „sie ihre manchmal herausfordernden aber wichtigen Anliegen unbehindert ausdrücken können“ und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass diese auch „weiterhin diesen Weg des Ausdrucks gehen würden.“ Unbefriedigt durch die Antwort erklärten kurz darauf die ersten KünstlerInnen (Libia Castro, Ólafur Ólafsson, Charlie Sofo, Gabrielle de Vietri und Ahmet Öğüt) ihren Rückzug von der Ausstellung und begannen damit, für weitere Unterstützung zu werben. Die Kampagne gewann an Schwung und zur Mitte der letzten Woche hatten weitere KünstlerInnen ihren Rückzug erklärt. Es sei eigens vermerkt, dass sich dem Ausstieg der Künstler_innen ebenso ein Techniker der Biennale angeschlossen hatte. Spezielle Brisanz erhielt der Protest durch den Umstand, dass die Biennale 1973 vom damaligen „Transfield“-Eigentümer Franco Belgiono Nettis, in Kooperation mit öffentlichen Stellen, gegründet wurde. Dessen Sohn bekleidete auch 41 Jahre danach die Rolle des „Chairman of the Board“ der Großveranstaltung, die alle zwei Jahre bis zu 600.000 BesucherInnen anzieht und damit als Aushängeschild für die zeitgenössische australische Kunstwelt gilt. Umso größer war die Überraschung als die Biennale am Freitag der letzten Woche die Reißleine zog und sich von ihrem Gründungspartner trennte: “We have listened to the artists who are the heart of the Biennale and have decided to end our partnership with Transfield effective immediately“ hieß es in dem Statement, das einmal mehr belegt, dass KünstlerInnen durchaus Einfluss auf den Kontext ihrer Arbeit nehmen können, wenn sie sich des Umstandes bewusst sind, dass ohne ihre Beteiligung nicht nur sprichwörtlich alle Räder des Ausstellungsbetriebes stillstehen würden. Als Konsequenz aus dieser Entscheidung trat zeitgleich der Sohn des Gründers als Vorsitzender des „Boards“ zurück. Diese Kolumne steht im Ruf Komplexität zu verstehen, weswegen festgehalten sei, dass wir nicht übersehen haben, dass der Link zwischen der Biennale und den Lagern nur indirekt, – wie im Sponsoring meist üblich über die Beteiligung einer Stiftung – zu Stande kam. Doch auch indirekt führt das „Follow the Money“ vom Lager zum Künstlerhonorar, zumindest zu einem Teil davon, da der Anteil der „Transfield-Foundation“ am Budget, laut Medienberichten, zuletzt ca. 6% betrug. Es müsste auch diskutiert werden, wie sauber denn das Geld der anderen Partner (z.B. Deutsche Bank, Panasonic) wäre, und es soll gefragt werden, ob in Zeiten des „Nation Branding“ nicht auch der öffentliche Budgetanteil seinen Beitrag zur Weißwaschung fragwürdiger politischer Praktiken beiträgt. Diesen Umstand thematisieren zum Beispiel die Boykottaufrufe gegen die diesjährige Manifesta in St. Petersburg, die ursprünglich wegen der repressiven russischen Anti-Gay Gesetze und zuletzt wegen der russischen Einmischung in der Ukraine lanciert wurden. Diese Aufrufe wurden allerdings bisher von kritischen lokalen ExponentInnen (z.B. der KünstlerInnengruppe „Chto Delat“ in St. Petersburg) vorerst nicht übernommen. Gewiss: Es bleibt, daran zu erinnern, dass die symbolischen Akte kurzfristig wenig an den Bedingungen der Flüchtlinge ändern. Doch die Aktionen im Burgtheater und in Sydney haben dazu beigetragen, das Wissen um die damit verbundenen Praktiken im Kunstfeld zu verbreitern. Zum Verständnis eines globalen Kunstsystems gehört eben nicht nur die Aufmerksamkeit für weltweit zu verzeichnende Auktionsrekorde, sondern auch eine Analyse von aussagekräftigen Details wie jenem, dass „Transfield“ den Vertrag für den Betrieb der australischen Lager ausgerechnet vom Burgtheaterpartner „G4S“ übernahm, und, dass es in einem von „G4S“ betriebenen Lager vor wenigen Wochen zu Revolten kam, die ein Todesopfer forderten. Für den Betrieb von zwei Lagern in Manus Island und Nauru erhält „Transfield“ in Zukunft mit 39 Millionen Euro übrigens etwas weniger als eine Burgtheaterjahressubvention – pro Monat! Nach der Bekanntgabe dieser Vergabe schnellte der Aktienkurs des Unternehmens übrigens just an jenem Tag um 25% in die Höhe, als die ersten fünf Künstler ihren Boykott der Biennale beschlossen.
Mehr Texte von Martin Fritz

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