Rainer Metzger,
London Calling
Zu berichten ist diesmal wieder aus London. Nicht, dass es Gründe bräuchte, in die aufregendste Stadt Europas zu kommen, doch es gab einen. Nach fünfzig Jahren hat das Geschwisterpaar Constanze Kaine und Thomas Neurath sein Lebenswerk weiter gegeben. Thames and Hudson, der Kunstbuchverlag mit Sitz in London und New York, also an der Themse und am Hudson, gegründet von Walter Neurath, dem Wiener Emigranten, wird in Zukunft von einem Deutschen namens Rolf Grisebach geleitet. Das wurde nun amtlich begangen.
Im Zuge meines Besuches habe ich ein paar Veränderungen festgestellt, Nachbesserungen oder Reparaturen speziell an den Orten, an die es mich immer zieht. Es sind Kleinigkeiten, die der Leserschaft dafür nicht vorenthalten werden sollen.
Erstens ist in der British Library die größte Kostbarkeit unter all den Schätzen wieder zu sehen. Es ist das Book of Lindisfarne, das vor einigen Jahren aus Gründen eben der Kostbarkeit im Tresor verschwand. Nun liegt es wieder unter der Vitrine, aufgeschlagen und zu jeder Begutachtung bereit, als wäre das selbstverständlich für einen Codex, der mehr als 1.300 Jahre alt ist.
Zweitens ist in der National Gallery jetzt endlich zu besichtigen, wie Adolph Menzel, der zweitbeste Maler des 19. Jahrhunderts, sich seinen Reim auf den besten machte, Manet. Vor zehn Jahren hat die Nationalgalerie das Werk, das Dresden restituieren musste, erworben. Es war großes Glück, dass Menzels „Tuileriengarten“ im öffentlichsten aller Museen landete und nicht in irgendwelchen Oligarchien, und dann noch dazu in der Nachbarschaft von Manets fünf Jahre früher entstandener Version. Aus unerfindlichen Gründen durfte man die Zweisamkeit nur anfangs kurz bewundern. Jetzt darf man wieder: Über Eck sind die beiden Porträts einer Welt, die ins Grüne drängt, zu hängen gekommen. Man sollte sich breit an der Kante postieren und hat sie dann perfekt im Auge.
Adolf Friedrich Erdmann Menzel, Ein Nachmittag im Tuileriengarten, 1867 © Tate Photography
Drittens hat die Tate Britain nach gut zwei Jahren wieder einen Haupteingang. Das „Millbank Project“ sieht eine umfassende Neustrukturierung vor, um das Institut, das sehr deutlich der Bildung einer nationalen Identität verschrieben ist, auf die Höhe eines weltumspannenden Idioms moralischer Korrektheit zu befördern. Die Tate Modern, die von Anfang an polyglott gearbeitet hat, ist dafür so etwas wie das hausinterne Vorbild. Mit der Öffnung zur Themse hin und der Umgestaltung der Rotunde ist eine zumindest partielle Neuhängung verbunden, deren Exponate indes weiterhin Made in Britain sind. Die Modernisierung ist bisher eher kosmetisch.
Tate Britain, Millbank Steps
Die Veranstaltung von Thames and Hudson fand übrigens, und auch das gehört in meine Liste, in einer Dependance der Serpentine Gallery statt, 300 Meter weiter hinein in den Hyde Park, beheimatet in einem ehemaligen Munitionsdepot und nun Serpentine Sackler Gallery genannt. Zaha Hadid hat dieses Magazin bearbeitet und ihm vor allem ein Restaurant vorgepflanzt, in dem sich der Pavillon wiederfindet, den sie 2000 als ersten der mittlerweile so populär gewordenen sommerlichen Ephemere vor die Serpentine stellte. Seit zwei Monaten hat London hier wieder einen Hot Spot.
Serpentine Sackler Gallery
Mehr Texte von Rainer Metzger