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Hans Schabus - Astronaut (komme gleich) / Manfred Willmann: Der Ort und das Land

Vor der Moderne, da war der Ort verwurzelt. Fest mit dem Boden. Altäre wurden zum Beispiel exakt an jenem Punkt postiert, wo sich einst das heilige Geschehen zutrug. Man konnte sie aktualisieren, erweitern, ersetzen, aber man konnte sie nicht versetzen. Das Verständnis von Ort war, mit einem Wort, stratifikatorisch. In der Moderne, da ist das Verständnis planimetrisch. Ort breitet sich auf der Ebene aus, ist Sache eines Ensembles oder seiner Störung. Tiefgang ist perdu. Die wirklich Ortsspezifischen unter den Zeitgenossen sehen darin ein Skandalon und versuchen es trotzig mit Bohren. Joseph Beuys "Straßenbahnhaltestelle" oder Jochen Gerz Denkmal in Hamburg-Harburg sind die vielleicht geglücktesten Beispiele dafür, der Organisation von Oberfläche, die so dämlich "Kunst im öffentlichen Raum" heißt, mittels Graben zu entkommen. Nun ist Hans Schabus der Wiener Secession ins Subkutane gefahren, hat die Kellerräume freigelegt und in den Oberlichtsaal eine Grottenarchitektur eingezogen, bei der weniger besticht, dass sie sein Atelier nachzeichnet, als dass sie sich auf einen kryptischen Kafka-Text namens "Der Schacht von Babel" beruft. Das Video, mit dem Schabus letztes Jahr auf der Manifesta für Furore sorgte, wurde gleich neben dem Secessionsgebäude gedreht, besser gesagt unterhalb, im Kanalsystem; jetzt wird es wieder aufgeführt, zusammen mit einem neuen Werk, bei dem der Künstler, Grubenhelm samt -lampe auf dem Haupt, mit der Schaufel in die Sedimente des Wiener Untergrunds vorstößt. Schabus erklärt sich dem Raum verpflichtet, doch was er erkundet, ist Ort. Gleichgültig, ob er das weiß oder nicht, bringt er dabei die historisch triftigsten Mittel zum Einsatz. Der notorische White Cube, den Hermann Bahr gleich bei der Eröffnung auf "seine Rolle in einem Ensemble" festlegte, wird seiner Neutralität entkleidet, indem man die Ablagerungen, Schichten und Geschichten zum Thema macht, auf denen er steht. Als wäre das nicht genug, wird am Höhlenausgang, das heißt in der Galerie im Keller, Manfred Willmanns Fotoserie "Das Land" aus den frühen Achtzigern gezeigt, 140 Aufnahmen mitten aus dem und in das Steirerherz. Hier wird, ausgebreitet auf der Oberflächenkultur des Lichtbildes, Verwurzelung zum Thema gemacht, liebevoll, skeptisch, stets bedacht auf die Unmöglichkeit dieser völlig unglobalen Welt. Wie Schabus und Willmann Ort in Szene setzen, hat wenig von Kafka und viel von Don Quichotte. Doch für derlei Kämpfe gegen die Einsicht in die Unwiederbringlichkeit hat einst eine gute Vorsehung die Kunst erfunden. Grandios. Service: Arbeiten von Hans Schabus sind bis 29. März auch zu sehen in der Kerstin Engholm Galerie, Schleifmühlgasse 3, 1040 Wien www.kerstinengholm.com
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Hans Schabus - Astronaut (komme gleich) / Manfred Willmann
27.02 - 27.04.2003

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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