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Eric Fischl - Friends, Lovers and other Constellations: Gefrorene Idyllen

Wenn etwas in den USA Ende der 1970er-Jahre den Kunstbetrieb nicht interessierte, so meint sich Eric Fischl zu erinnern, war es die figurative Malerei. Und zu eben dieser fühlte sich der Künstler aus gutem Grunde hingezogen, wie sonst hätte er die Rezipienten zu seinen Verbündeten machen können? „Ich wollte die Betrachter näher und ausdrücklicher in meine Dramen hineinziehen. Mein Ziel war es, dass sie zuerst genau sahen, was ich sah, und dann fühlten, was ich fühlte“, erläutert er in einem ausführlichen Interview zum Katalog der Ausstellung in der Albertina, die sich zur Zeit dem graphischen Werk des amerikanischen Chronisten der Vorstadtidyllen widmet. Man kennt Fischls Gemälde, glatt und gleißend bringt der Meister der Zweideutigkeiten vermeintlich Alltägliches auf die Leinwand. Nie weiß man so recht weiß, was man von ihnen halten soll. Was passiert wohl im nächsten Moment? Handelt es sich bei den Details um Dekor, Requisiten oder um Indizien? Ist alles womöglich doch ganz harmlos? Für Fischl selbst lässt sich in Bezug auf den Betrachter alles in einem Moment festmachen. „In einem bestimmten Augenblick hört die Szene auf, eine Szene zu sein, und wird zu einem Ereignis. Ein Ereignis ist es deswegen, weil etwas passiert, das es erinnerbar macht, weil es die Richtung verändert, in der die Leute unterwegs waren, sowohl physisch wie emotional.“ All das hat flüchtig mit Öl auf bestimmte Papiere gepinselt ebenso seine Reize wie die Monotypien der Reihe „Scenes and Sequences“. Allesamt sind es Belege dafür, dass sich der Künstler über die Jahre ohne jegliche klassische Ausbildung eines Aktstudiums in der Anatomie des Menschen eine gewisse Perfektion, eben in der Flüchtigkeit des Pinselstriches abgerungen hat. Die Arrangements von einzelnen Blättern mit Akteuren in unterschiedlichsten Posen und Bewegungen zu unterschiedlichsten Szenerien lassen den Verdacht aufkommen, es würde sich hierbei um Vorstudien zu Gemälden handeln. Eine Vermutung, die laut Fischl mitnichten den Tatsachen entspricht. „Nein, ich male immer sofort direkt auf die Leinwand“, um einiges später auszuführen. „Es passiert selten dass ich eine Zeichnung oder eine Druckgraphik als Vorlage verwende. Ich erstelle keine zeichnerischen Studien. Wahrscheinlich ließen sich aber meine Fotografien als solche bezeichnen.“ In welcher Verbindung nun die Arbeiten auf Papier mit den Gemälden zu verstehen sind, bleibt ebenso mehrdeutig wie die Motive selbst. Zumindest in der Ausstellung wie im Katalog. Als eigener Komplex hingegen lassen sich die in einem eigenen Bereich präsentierten Bronzeskulpturen und zarten Aquarelle verstehen. Man möchte sie gerne in einem Zusammenhang mit Degas` Balletteusen sehen, denn was wäre Tanzen anderes als der Versuch die Schwerkraft aufzuheben – doch ist es schlicht das Gegenteil. Es handelt sich hierbei nicht um artistische Darbietungen sondern um die Flucht in die Schwerkraft in einer schier ausweglosen Situation. In den USA wurde dem Künstler vorgeworfen, seiner Karriere mit diesen gemalten Eindrücken der fallenden Körper bei den Anschlägen von 9/11 zu einem Aufschwung zu verhelfen. Eric Fischl, könnte man entgegen, hat dies schlicht nicht nötig. Jene Bilder gehören mittlerweile ebenso zum kollektiven Verdrängen, wie die subtilen Vorgänge, die man in seinen Gemälden zu erkennen glaubt und ganz schnell wieder in den Tiefen den Unterbewusstseins verschwinden lässt. Doch auch die neuere Kunstgeschichte kann diesbezüglich mit mittlerweile ikonisch Gewordenem aufwarten. Gab es da nicht einst jene seltsam verdrehten, fallenden Körper in Robert Longos Serie „Men in the Cities“, entstanden zwischen 1979 und 1982? Soweit zum Mangel an Figuration in den USA Ende der 1970er Jahre. -- Die Zitate stammen aus dem begleitenden Katalog „Eric Fischl – Friends, Lovers and other Constallations“ erschienen im Verlag für moderne Kunst, Nürnberg www.vfmk.de
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Eric Fischl - Friends, Lovers and other Constellations
13.02 - 18.05.2014

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
tumbling WOMEN
aure | 24.04.2014 04:33 | antworten
ah ja, diese kleine-große Diskrepanz zwischen der Kunst und der Wirklichkeit - im Fall der Tumbling Women. Dass Eric Fischl zu seiner Interpretation von fallenden Körpern kommt - graphisch absolut gelungen - ist legitim. Dass man es als pietätlos (ev. geschmacklos) empfinden kann, wenn ausgerechnet Frauen, die in den Tod springen - und zwar während eines der tragischsten, gleichfalls medienstärksten (=> publicityträchtigsten) Ereignisses des jungen 21. Jhs. als Inspirationsquelle zitiert werden, - die sicherlich nicht nackt aus den Fenstern sprangen -, bleibt jedem für sich/ oder einer breiten Öffentlichkeit unbenommen. Dies waren zumindest meine Empfindungen bei der Vernissage.

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