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Klee

Meister der Miniatur. Der Winzigkeit der Formate, die seine Blätter aufweisen, entsprechend bauen sich die phantomhaften Sujets von Paul Klee auf ziseliert gesetzten Strichen auf. Sie sind Produkte einer virtuosen Abgleichung der technischen Möglichkeiten von Malerei und Grafik, Hybride aus Wasserfarbe und Tuschfeder, Erscheinungen aus der Tiefe der papierenen Oberfläche, wo sie nun eine Gemengelage bilden, Schicht für Schicht hervorgearbeitet von ihren Gründen aus zartem Kolorit. Paul Klee und seine Methode: Sie hat etwas Beckmesserisches und Kläubelndes, er scheint es fürchterlich genau zu nehmen, und man sieht seinen Figurationen an, wie der Künstler sich über sie beugt, um sie herauszupräparieren aus dem Blatt mit extra dünner Feder. Eine Ästhetik der Adminstration, genau, verwalterisch, von dezidierter Organisiertheit: Viele dieser Papiere sind zusätzlich an dem dünnen Karree, das einen passepartoutartigen Übergang zwischen der gestalteten Bildfläche und dem Rahmen markiert, beschriftet, sie sind signiert, betitelt, datiert und auch noch nummeriert, denn Klee hat sein Oeuvre streng systematisiert, archiviert und inventarisiert. Paul Klee und seine Verwaltungsästhetik haben wieder einmal Konjunktur im Moment. Im Augsburger Zentrum für Gegenwartskunst gibt es seine beflissenen Exzerpte zur Aviatik zu sehen: „Mythos Fliegen“. Unter dem schönen Titel „Les Klee du paradis“ zeigt die Berliner Sammlung Scharf-Gerstenberg seine Versuche, den Schlüssel zum Paradies an sich zu nehmen. Und die Londoner Tate Modern widmet ihm gleich nicht weniger als eine Retrospektive. Er ist in der Tat ein Schlüsselkünstler der Moderne. Paul Klee, bebende Kapelle, 1924, © bpk / Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Sammlung Scharf- Gerstenberg / Roman März Es regiert die Dialektik der Aufklärung, zu jedem Prozess einer Emanzipation tritt, so die mächtige These von Adorno und Horkheimer, ein Mechanismus des Kontrollierens und Instrumentalisierens. Klee, so scheint es, verkörpert diese Dialektik beispielhaft: Sein Werk singt seine Hymne auf die freie Kreativität, nimmt Anleihen bei allen Spielarten des Primitivismus. Doch es demonstriert auch jederzeit die Rücknahme des unvermittelten Ausdrucks in einen Raster aus Organisation und Automatisierung. Klees künstlerisches Schaffen gehört allein dadurch zu den größten des Jahrhunderts, dass es die Gleichzeitigkeit von Befreiung und Entfremdung gewissermaßen am eigenen Leib verkörpert. Es stellt diese Gleichzeitigkeit nicht motivisch dar, im Verweis auf Missstände oder Lösungsmöglichkeiten. Es ist diese Gleichzeitigkeit. Klee geht durchaus monomanisch zu Werke, mit Humor und Skurrilität, doch stets nach Maßgabe seiner ureigenen, man möchte sagen: Feinmotorik. So verwundert es nicht, wenn er, der Systematiker und Detailverwalter par excellence, sich keinem der Ismen fügen will. Darin liegt in der Epoche der Gleichschaltung und einer Verpflichtung aufs Kollektive, die in den Wahn umschlug, eine gehörige Qualität. Ab dem Jahr 1920 amtiert Klee als Lehrer am Bauhaus, doch natürlich ist er kein Ideengeber für Nützlichkeiten. Dieses Werk liebt das Gegenweltliche, Selbstgestrickte und Versponnene, eine Versponnenheit, die jederzeit nachvollziehbar bleibt, die selbstironisch ist und lächelnd nonchalant. Es sind stets aufs Neue Aufzeichnungen aus einer Befindlichkeit, die völlig unabhängig von Tagesform funktioniert und eine ureigene künstlerische Mentalität umkreist. Diese Werke zielen auf nicht weniger als das verbindliche Zeichen, die gültige Chiffre, die korrekte Signatur der Zeit. Die Bilder Klees sind klein, ihr Anspruch ist um so größer. Kunstsammlungen und Museen Augsburg Sammung Scharf-Gerstenberg Tate Britain
Mehr Texte von Rainer Metzger

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