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Die flirrende Welt

Sie sind tatsächlich unvermeidlich: Gerade jüngst erschienen gleich mehrere Artikel in unterschiedlichen Medien über das Phänomen Manga, die japanischen Comics, und ihre bewegten Verwandten, die Anime. Beide finden im Westen immer mehr Liebhaber - und Eingang in Kino, Kunst und Kinderzimmer. Ihre populäre Bildsprache kann regelrecht süchtig machen. Kein Wunder, dass ein Buch, dessen Cover eine im Heidi-Stil gezeichnete Anime-Figur ziert, einen beinahe Pawlow`schen Reiz ausübt. "The Japanese Experience - Inevitable" hieß vergangenen Sommer eine Ausstellung in der Ursula Bickle Foundation in Kraichtal. Der dazu gehörende Katalog ist bei Hatje Catz erschienen und ein richtiges kleines Schmuckstück. Zwischen leicht gepolsterten Hochglanzdeckeln öffnet sich im handlichen A5-Format die bunte Welt des japanischen New Pop. Selbst wer die intelligenten Texte auslässt, wird an diesem Buch viel Freude haben. Neben den beiden Stars Takashi Murakami und Yoshitomo Nara werden darin sechs weitere Künstler und eine Factory vorgestellt. Für ihre neue figurative Malerei bedienen sich die Japaner der schillernden Oberflächen von Massenmedien, wie Manga und Anime es sind, um gesellschaftlich relevante Themen aufzuwerfen. Die trivialen Bilder scheinen sich an Kinder und Jugendliche zu wenden, offenbaren jedoch schnell genau jene Art von Verschiebung, die Oberflächen brüchig macht und auf das brisante Dahinter blicken lässt. Da ist einmal das sozusagen auf Japanisch zwischen Peanuts und Southpark changierende Kinderpersonal in den Zeichnungen von Yoshitomo Nara, das trotz bösartiger Mimik in seinen Gesten hilflos bleibt. Die perfekt produzierten Bilder und Skulpturen von Takashi Murakami dagegen rekurrieren viel stärker auf die Manga-Ästhetik, aber auch auf die Tradition des japanischen Farbholzschnitts, des ukiyo-é, der fließenden, vergänglichen Welt. Ihre flirrend bunten Oberflächen handeln von Identifikationsmodellen einer vor dem selbstgemachten Leistungsdruck in eine Fantasiewelt flüchtenden Nation. The Japanese Experience - das ist die Zuspitzung trivialster Bilder auf sehr präzise Aussagewerte. Dass ihre Ergebnisse solche Hingucker sind, ist ein Bonbon, das man ohne Reue konsumieren darf. Margrit Brehm (Hg.), The Japanese Experience - Inevitable, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 2002, ISBN 3-7757-1254-2
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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